»Seid Ihr verletzt? Nur ein bisschen zerkratzt? Nun, auf jeden Fall ist Euch kalt, und ohne Zweifel seid Ihr ziemlich mitgenommen. Setzt Euch hier ans Feuer. Hector holt Euch einen Schluck zu trinken, und dann könnt Ihr mir noch ein wenig über Eure Freunde erzählen.« Mit einem Fuß zog er einen grob gezimmerten, dreibeinigen Hocker herbei und setzte mich entschlossen darauf, indem er mir die Hand auf die Schulter drückte.
Torffeuer spenden zwar nur wenig Licht, sind aber herrlich warm. Ich erschauerte unwillkürlich, als mir das Blut wieder in die durchgefrorenen Hände zu laufen begann. Ein paar Schlucke aus der ledernen Feldflasche, die mir Hector widerstrebend reichte, brachten das Blut auch in meinem Inneren wieder zum Fließen.
Ich erklärte meine Lage, so gut ich es konnte, und das war nicht besonders gut. Die kurze Beschreibung meines Abgangs aus der Festung und des darauffolgenden Nahkampfes mit dem Wolf stieß auf besondere Skepsis.
»Auch wenn es Euch gelungen ist, Euch Zugang zu der Festung zu verschaffen, kommt es mir nicht sehr wahrscheinlich vor, dass Euch Sir Fletcher gestattet hat, allein dort umherzuspazieren. Oder dass Euch dieser Hauptmann Randall, wenn er Euch in dem Verlies gefunden hätte, einfach die Hintertür gezeigt hätte.«
»Er … er hatte seine Gründe, mich gehen zu lassen.«
»Und zwar?« Die Blaubeeraugen blieben unerbittlich.
Ich gab auf und erklärte ihm die Angelegenheit ohne Umschweife; ich war viel zu müde für jede vorsichtige Umschreibung.
MacRannoch hatte meinen Bericht aufmerksam verfolgt und schien halb überzeugt zu sein, doch er schien sich nach wie vor nicht einmischen zu wollen.
»Aye, ich verstehe Eure Sorge«, sagte er, »doch vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm.«
»Nicht so schlimm!« Ich sprang entrüstet auf.
Er schüttelte den Kopf, als wären ihm ein paar Fliegen lästig geworden. »Was ich meine«, erklärte er, »ist, dass er den Jungen wahrscheinlich nicht schwer verletzen wird, wenn er es auf ihn abgesehen hat. Und – Verzeihung, Ma’am –«, sagte er und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, »in den Hintern gebumst zu werden bringt einen normalerweise nicht um.« Er hob beschwichtigend die Hände, die die Größe von Suppentellern hatten.
»Damit will ich natürlich nicht behaupten, dass es ihm Freude machen wird, aber ich bin der Meinung, es ist den Ärger mit Sir Fletcher nicht wert, den Jungen vor einem wunden Hintern zu bewahren. Meine Lage hier ist nämlich prekär, sehr prekär.« Er plusterte die Wangen auf und wackelte mit den Augenbrauen.
Nicht zum ersten Mal bedauerte ich, dass es keine richtigen Hexen gab. Wäre ich eine gewesen, hätte ich ihn auf der Stelle in eine Kröte verwandelt. Eine dicke, fette Kröte mit Warzen.
Ich schluckte meine Wut herunter und versuchte noch einmal zu argumentieren.
»Ich gehe davon aus, dass sein Hintern inzwischen nicht mehr zu retten ist; mir geht es vielmehr um seinen Hals. Die Engländer haben vor, ihn morgen früh zu hängen.«
MacRannoch murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und machte kehrt wie ein Bär, dem der Käfig zu klein ist. Dann blieb er abrupt vor mir stehen und hielt mir seine Nase ins Gesicht. Ich wäre zurückgefahren, wenn ich nicht so erschöpft gewesen wäre. So jedoch blinzelte ich einfach nur.
»Und wenn ich sagen würde, ich helfe Euch, was würde das nützen?«, brüllte er. Er setzte sich wieder in Bewegung, zwei Schritte an der Wand entlang, um die Ecke mit wirbelndem Pelz, zwei Schritte an der anderen Wand. Er redete im Gehen, im Takt seiner Schritte, und wenn er wendete, holte er Luft.
»Wenn ich persönlich zu Sir Fletcher gehen würde, was würde ich dann sagen? In Eurer Besatzung gibt es einen Hauptmann, der in seiner Freizeit Gefangene foltert? Und wenn er mich fragt, woher ich das weiß, sage ich ihm, meine Männer haben im Dunkeln eine dahergelaufene Sassenach gefunden, die mir erzählt hat, dass sich dieser Hauptmann ihrem Mann unsittlich genähert hat, der wiederum ein Gesetzloser ist, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt ist, und der außerdem wegen Mordes zum Tode verurteilt ist?«
MacRannoch blieb stehen und hämmerte mit seiner Pranke auf das Tischchen. »Und was die Möglichkeit betrifft, meine Männer in das Gefängnis zu bringen … wenn, hört genau zu, ich sage
»Das könntet Ihr«, unterbrach ich ihn. »Ich kann Euch den Weg zeigen.«
»Mmmpfm. Das mag ja sein.
»Nein, Kleine, ich sehe nicht …«
Er wurde unterbrochen, weil plötzlich die Tür der Kate aufflog und ein weiterer Bogenschütze eintrat, der Murtagh mit Hilfe der Spitze seines Messers vor sich herschob. MacRannoch hielt inne und starrte ihn stirnrunzelnd an.