Jamies Gesicht war von mir abgewandt, doch ich konnte sehen, wie sich seine Kinnmuskeln verkrampften, als er das Lederstück fester zwischen die Zähne nahm. Auch ich biss mir auf die Zähne und machte weiter; das scharfe Knochenende verschwand langsam wieder in der Haut, und der Finger richtete sich mit quälendem Zögern gerade, bis wir beide zitterten.
Während ich arbeitete, verlor ich jede Wahrnehmung für die Umgebung jenseits dessen, was ich tat. Hin und wieder stöhnte Jamie auf, und wir mussten zweimal kurz innehalten, damit er sich übergeben konnte. Er würgte fast nur Whisky hoch, da er im Gefängnis kaum etwas zu essen bekommen hatte. Die meiste Zeit jedoch murmelte er leise und unablässig auf Gälisch vor sich hin und hielt die Stirn fest an Sir Marcus’ Knie gedrückt. Durch den Lederknebel konnte ich nicht sagen, ob er fluchte oder betete.
Schließlich lagen alle fünf Finger kerzengerade und steif in ihren bandagierten Schienen nebeneinander. Ich hatte natürlich Angst, dass sie sich entzünden würden, vor allem der zerfetzte Mittelfinger, doch ansonsten war ich mir hinreichend sicher, dass sie gut verheilen würden. Zum Glück war nur das eine Gelenk ernsthaft beschädigt. Vermutlich würde er einen steifen Ringfinger zurückbehalten, doch die anderen Finger würden wahrscheinlich wieder normal funktionieren – im Lauf der Zeit. Gegen die gebrochenen Mittelhandknochen und die Nagelwunde konnte ich nichts tun, außer sie mit einer antiseptischen Spülung zu waschen, einen Umschlag aufzulegen und zu beten, dass er keinen Wundstarrkrampf bekam. Als ich zurücktrat, zitterte ich am ganzen Leib von der Anstrengung der Nacht, und mein Mieder war von der Hitze des Feuers mit Schweiß durchtränkt.
Lady Annabelle war sofort an meiner Seite. Sie führte mich zu einem Sessel und drückte mir eine Tasse Tee mit einem Schluck Whisky in die bebenden Hände. Sir Marcus, der beste OP-Assistent, den ein Arzt haben konnte, löste Jamies festgegurteten Arm und massierte die Stellen, wo sich der Gurt bei jeder Anspannung tief in seine Haut gedrückt hatte. Die Hand des älteren Mannes war rot von Jamies Umklammerung.
Mir war gar nicht bewusst, dass ich eingenickt war, doch ich zuckte plötzlich zusammen, weil mein Kopf nach vorn sackte. Lady Annabelle drängte mich aufzustehen und schob mir fürsorglich ihre Hand unter den Ellbogen. »Kommt mit, meine Liebe. Ihr könnt nicht mehr; Ihr müsst Eure eigenen Verletzungen pflegen und ein bisschen schlafen.«
Ich schüttelte sie ab, so höflich ich konnte. »Nein, das geht nicht. Ich muss erst noch …« Meine Worte verstummten, denn mein Kopf war wie mit Watte gefüllt, und Sir Marcus nahm mir die Essigflasche und das Tuch aus der Hand.
»Ich kümmere mich um den Rest«, sagte er. »Ich habe schließlich ein bisschen Erfahrung damit, Wunden im Feld zu versorgen.« Er schlug die Decken zurück und begann, das Blut von den Peitschenverletzungen zu tupfen. Die energische Sanftheit, mit der er dabei vorging, war beeindruckend. Als er meinen Blick bemerkte, grinste er, und sein Bart wackelte fröhlich. »Ich habe in meiner Zeit schon einige Striemen gesäubert«, erklärte er. »Und auch selber einige verursacht. Das hier ist nichts, Kleine; es heilt in ein paar Tagen.« Da ich wusste, dass er recht hatte, ging ich zum Kopfende der Liege. Jamie war zwar wach und verzog leicht das Gesicht, weil die Essiglösung in den offenen Wunden brannte, doch seine Augenlider waren schwer, und Schmerz und Erschöpfung verfinsterten ihm die blauen Augen.
»Geh schlafen, Sassenach. Ich werd’s aushalten.«
Ich wusste nicht, ob das stimmte oder nicht, doch es war klar, dass
Ich nickte betäubt und folgte Lady Annabelles ebenso sanftem wie beharrlichem Druck auf meinen Ellbogen.
Auf halbem Weg nach oben fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, Sir Marcus zu sagen, wie er die Striemen verbinden sollte. Die tiefen Wunden an den Schultern mussten mit Kompressen abgedeckt und verbunden werden, damit er ein Hemd darüber tragen konnte, wenn wir unsere Flucht antraten. Doch die oberflächlicheren Peitschenspuren ließ man besser an der Luft verkrusten. Ich warf einen raschen Blick auf das Gästezimmer, das mir Lady Annabelle zeigte, dann entschuldigte ich mich knapp und stolperte noch einmal hinunter zum Salon.