Im dunklen Korridor vor der Tür blieb ich stehen, Lady Annabelle hinter mir. Jamies Augen waren geschlossen; anscheinend war er vom Whisky und vor Erschöpfung eingedöst. Die Decken waren zurückgeschlagen; dank der Hitze des Feuers waren sie überflüssig. Sir Marcus legte Jamie beiläufig die Hand auf den entblößten Rumpf, als er über das Bett hinweg nach einem Tuch griff. Die Berührung wirkte wie ein Stromschlag. Jamie bäumte sich abrupt auf, seine Gesäßmuskeln krallten sich zusammen, und er stieß unwillkürlich einen Protestlaut aus, ehe er sich trotz der gebrochenen Rippen auf den Rücken warf und erschrocken und benommen zu Sir Marcus aufblickte. Sir Marcus, der selbst erschrocken war, blieb eine Sekunde wie erstarrt stehen, dann beugte er sich vor und nahm Jamie beim Arm, um ihn behutsam wieder auf den Bauch zu rollen. Ganz vorsichtig streifte er Jamie mit einem Finger über die Haut. Er rieb die Finger aneinander, und es blieb ein öliger Glanz zurück, der im Feuerschein gut zu sehen war.
»Oh«, sagte er nüchtern. Der erfahrene Soldat zog Jamie die Decke bis zur Taille hoch, und ich beobachtete, wie sich seine angespannten Schultern unter dem Verband ein wenig senkten.
Sir Marcus rückte seinen Hocker freundschaftlich neben Jamies Kopf und schenkte noch zwei Becher Whisky ein. »Zumindest war er so rücksichtsvoll, Euch vorher ein bisschen einzufetten«, stellte er fest und reichte Jamie einen der Becher. Dieser hievte sich mühsam auf einen Ellbogen hoch, um ihn anzunehmen.
»Aye, nun ja. Ich glaube eigentlich nicht, dass es Rücksicht auf
»Falls es Euch tröstet«, sagte Sir Marcus unvermittelt, den Blick auf die Karaffe geheftet, »er ist tot.«
»Seid Ihr sicher?« Jamies Ton war unergründlich.
»Ich sehe nicht, wie jemand es überleben könnte, wenn er von dreißig Tieren, die eine halbe Tonne wiegen, platt getrampelt wird. Er hat in den Korridor hinausgeschaut, um festzustellen, woher der Lärm kam. Ein Horn hat ihn am Ärmel erwischt und ihn hinausgezogen, und ich habe ihn an der Wand zu Boden gehen sehen. Sir Fletcher und ich standen auf der Treppe und haben uns abseits der Gefahr gehalten. Sir Fletcher hat sich natürlich furchtbar aufgeregt und hat Männer hinterhergeschickt, aber sie schafften es nicht, zu ihm vorzudringen, weil alles voller Hörner und drängelnder Tiere war und sogar die Fackeln von den Wänden gefallen sind. Himmel, Mann, Ihr hättet es sehen sollen!« Sir Marcus stieß ein kurzes Johlen aus, als er daran dachte, und hielt die Karaffe am Hals umklammert. »Eure Frau ist etwas ganz Besonderes, wirklich, Junge!« Prustend goss er sich noch einmal nach und schluckte, dann hustete er, weil sein Gelächter dem Whisky in die Quere kam.
»Jedenfalls«, fuhr er fort, nachdem er sich auf die Brust gehämmert hatte und wieder Luft bekam, »bis wir die Rinder wieder im Freien hatten, war nicht mehr viel übrig von ihm außer einem Haufen blutiger Lumpen. Sir Fletchers Männer haben ihn fortgetragen, aber wenn er da noch gelebt hat, hat es bestimmt nicht mehr lange gedauert. Noch einen Schluck, Junge?«
»Aye, danke.«
Es folgte kurzes Schweigen, das von Jamie unterbrochen wurde. »Nein, ich kann nicht sagen, dass es mich sehr tröstet, aber danke, dass Ihr es mir erzählt habt.« Sir Marcus sah ihn scharf an.
»Mmpfm. Ihr werdet es nie vergessen«, sagte er abrupt. »Versucht es erst gar nicht. Wenn Ihr könnt, lasst es heilen wie den Rest Eurer Wunden. Kratzt es nicht auf, dann wird es sauber heilen.« Der alte Krieger, der sich zum Arbeiten die Ärmel aufgekrempelt hatte, hob seinen knotigen Unterarm, um Jamie eine gezackte Narbe zu zeigen, die ihm vom Ellbogen bis zum Handgelenk lief. »Narben sind nichts, worüber man sich Gedanken machen sollte.«
»Aye, nun ja. Manche Narben vielleicht.« Jamie, dem anscheinend etwas eingefallen war, drehte sich mühsam auf die Seite. Sir Marcus stellte mit einem Ausruf sein Glas beiseite.
»Vorsicht, Junge, sonst bohrt Ihr Euch noch eine Rippe in die Lunge.« Er half Jamie, sich auf den Ellbogen zu stützen, und stopfte ihm eine zusammengefaltete Decke als Lehne in den Rücken.
»Ich brauche ein kleines Messer«, sagte Jamie und atmete schwer. »Ein scharfes, falls Ihr eins zur Hand habt.« Ohne nach dem Grund zu fragen, ging Sir Marcus zu seiner glänzenden Walnussanrichte hinüber und kramte unter großem Geklapper in den Schubladen, bis er schließlich ein Obstmesser mit einem Perlmuttgriff zum Vorschein brachte. Das drückte er Jamie in die gesunde linke Hand, dann setzte er sich grunzend wieder hin und nahm sich sein Glas.
»Meint Ihr, Ihr habt noch nicht genug Narben?«, erkundigte er sich. »Wollt Ihr noch ein paar hinzufügen?«