»Ist es schlimm?« Wieder wach, hob er den Blick von seiner verbundenen Hand zu meinem Gesicht. Er schloss die Augen und begann zu beben. Alarmiert dachte ich schon, ich hätte irgendeine unerträgliche Erinnerung ausgelöst, bis ich begriff, dass er lachte, und zwar so sehr, dass ihm die Tränen aus den Augenwinkeln liefen.
»Sassenach«, keuchte er schließlich. »Ich habe vielleicht noch fünfzehn Quadratzentimeter Haut, die nicht blau geprügelt, verbrannt oder aufgeplatzt sind. Ob es
Etwas gereizt begann ich: »Ich habe gemeint …«, doch er unterbrach mich, indem er meine Hand nahm und sie an seine Lippen hob.
»Ich weiß, was du gemeint hast, Sassenach«, sagte er und drehte den Kopf, um zu mir aufzublicken. »Keine Sorge, die fünfzehn Zentimeter sind komplett zwischen meinen Beinen.«
Ich wusste die Mühe zu schätzen, die es ihn kostete, diesen Witz zu machen, so schwach er auch war. Ich versetzte ihm eine kleine Ohrfeige. »Du bist betrunken, James Fraser«, beklagte ich mich. Einen Moment hielt ich inne. »Fünfzehn, ja?«
»Aye, nun ja. Vielleicht auch achtzehn. Gott, Sassenach, bitte bring mich nicht wieder zum Lachen, meine Rippen halten das nicht aus.« Ich wischte ihm mit einer Kleiderfalte über die Augen und gab ihm einen Schluck Wasser, indem ich seinen Kopf mit meinem einen Knie hoch hielt.
»Das ist es jedenfalls nicht, was ich gemeint habe.«
Jetzt wurde er ernst. Er griff noch einmal nach meiner Hand und drückte sie.
»Ich weiß«, sagte er. »Und du brauchst dich deswegen nicht zu zieren.« Vorsichtig holte er Luft und verzog das Gesicht, als er die Folgen spürte. »Es war nicht so schmerzhaft wie die Peitsche.« Er schloss die Augen. »Aber es war viel unangenehmer.« In seinem Mundwinkel blitzte ein Hauch von bitterem Humor auf. »Zumindest werde ich vorerst keine Verstopfung bekommen.« Ich zuckte zusammen, und er biss sich auf die Zähne und atmete mit kurzen, rasselnden Keuchlauten.
»Entschuldige, Sassenach. Ich … hatte nicht gedacht, dass es mir so viel ausmachen würde. Was du gemeint hast … das … schon gut. Ich habe keinen Schaden davongetragen.«
Mit großer Mühe hielt ich meine Stimme ruhig und sachlich. »Du brauchst es mir nicht zu erzählen, wenn du nicht willst. Aber wenn es dich erleichtert …« Ich verstummte verlegen.
»Ich will es bestimmt nicht.« Seine Stimme klang mit einem Mal bitter und leidenschaftlich. »Ich will überhaupt nie wieder daran denken, aber wenn ich mir nicht die Kehle durchschneiden will, bleibt mir, glaube ich, nichts anderes übrig. Nein, Claire, ich will es dir genauso wenig erzählen, wie du es hören willst … Aber ich glaube, ich muss es ans Licht zerren, bevor ich daran ersticke.« Seine Worte waren jetzt ein Schwall der Bitterkeit.
»Er wollte, dass ich flehend vor ihm im Staub krieche, und bei Gott, ich habe es getan. Ich habe dir ja schon gesagt, Sassenach, dass man jeden Menschen brechen kann, wenn man bereit ist, ihn genug zu quälen. Nun, er war dazu bereit. Er hat mich dazu gebracht, vor ihm im Staub zu kriechen, und er hat mich dazu gebracht, ihn anzuflehen; er hat mich dazu gebracht, noch viel schlimmere Dinge zu tun, und noch vor dem Ende hat er mich dazu gebracht, mir einfach nur zu wünschen, ich wäre tot.«
Er schwieg einen langen Moment und blickte ins Feuer. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und verzog das Gesicht, weil es ihn schmerzte.
»Ich wünschte, du könntest mir Erleichterung schenken, Sassenach, ich wünsche es mir sehr, denn ich kann sie selbst nicht finden. Aber es ist nicht wie ein giftiger Dorn, den man sauber herausziehen kann, wenn man ihn richtig zu fassen bekommt.« Seine gesunde Hand ruhte auf meinem Knie. Er bewegte die Finger und breitete sie flach aus, so dass sie rot im Feuerschein leuchteten. »Es ist nicht einmal wie ein Knochenbruch. Wenn du es Stück für Stück richten könntest wie meine Hand, würde ich den Schmerz gern ertragen.« Er ballte die Finger zur Faust, legte sie auf mein Bein und sah sie stirnrunzelnd an.
»Es ist … schwer zu erklären. Es ist … es ist wie … ich glaube, es ist so, dass jeder eine Stelle in seinem Inneren hat, ein Geheimnis, das nur er selber kennt. Es ist wie eine kleine Festung, in der das Persönlichste wohnt, was man hat – vielleicht ist es die Seele, vielleicht das, was einen Menschen zu dem macht, der man ist – anders als andere.« Seine Zunge betastete unbewusst seine geschwollene Lippe, während er überlegte.
»Man zeigt es eigentlich niemandem, es sei denn vielleicht jemandem, den man sehr liebt.« Seine Hand entspannte sich und legte sich um mein Knie. Jamies Augen waren wieder geschlossen, geschützt vor dem Licht.