»Jetzt ist es so, als wäre … als wäre meine innere Festung mit Pulver in die Luft gesprengt worden – es ist nichts davon geblieben als Asche und ein rauchender Dachbalken, und das kleine nackte Wesen, das einmal darin gelebt hat, liegt wimmernd im Freien und versucht, sich unter einem Grashalm oder einem Blatt zu verstecken, aber … aber es … g-gelingt ihm nicht.« Seine Stimme überschlug sich, und er verdrehte den Kopf so, dass sein Gesicht in meinem Morgenrock verborgen war. Ich fühlte mich hilflos und konnte nicht mehr tun, als ihm über das Haar zu streichen.
Plötzlich hob er den Kopf, und sein Gesicht sah aus, als würde es an den Nähten der Knochen auseinanderbrechen. »Ich bin dem Tod schon ein paar Mal nah gewesen, Claire, aber noch niemals
»Claire, kannst du … ich möchte nur … Claire, halt mich fest. Wenn ich jetzt anfange zu zittern, kann ich nicht mehr aufhören. Claire, halt mich!« Er begann tatsächlich so heftig zu zittern, dass er stöhnte, wenn sich seine gebrochenen Rippen bewegten. Ich hatte Angst, ihm weh zu tun, doch ich hatte noch größere Angst davor, ihn seinem Zittern zu überlassen.
Ich beugte mich über ihn, schlang ihm die Arme um die Schultern und hielt ihn, so fest ich konnte. Ich wiegte ihn hin und her, als könnte der tröstende Rhythmus die schrecklichen Krämpfe beenden. Ich legte ihm eine Hand in den Nacken und grub ihm die Finger tief in die langen Muskeln, beschwor sie, sich zu entspannen, während ich die tiefe Kerbe an seiner Schädelkante massierte. Endlich ließ das Zittern nach, und er ließ erschöpft den Kopf auf meinen Oberschenkel fallen.
»Entschuldige«, sagte er eine Minute später in normalem Ton. »Ich wollte mich nicht so aufführen. Die Wahrheit ist, dass mir alles weh tut und ich wirklich furchtbar betrunken bin. Ich habe mich nicht im Griff.« Wenn ein Schotte zugab, dass er betrunken war, und sei es nur unter vier Augen, dann sagte das einiges darüber, was für Schmerzen er tatsächlich hatte.
»Du brauchst Schlaf«, sagte ich leise und massierte ihm weiter den Nacken. »Unbedingt.« So gut ich es konnte, bearbeitete ich ihn mit den Fingern, so, wie es mir der alte Alec gezeigt hatte, und es gelang mir, ihn wieder an den Rand des Schlafs zu bringen.
»Mir ist kalt«, murmelte er. Das Feuer brannte, und er hatte mehrere Decken auf dem Körper liegen, aber seine Finger fühlten sich kalt an.
»Das ist der Schock«, erklärte ich ihm sachlich. »Du hast eine ziemliche Menge Blut verloren.« Ich sah mich um, doch die MacRannochs und ihre Bediensteten waren in ihren Betten verschwunden. Murtagh war vermutlich immer noch im Schnee unterwegs und hielt Ausschau nach Verfolgern aus Wentworth. Ich tat das Schamgefühl anderer mit einem Achselzucken ab, stand auf, zog mich aus und kroch neben Jamie unter die Decken.
So sanft wie möglich schmiegte ich mich an ihn und spendete ihm meine Wärme. Er legte das Gesicht an meine Schulter wie ein kleiner Junge. Ich streichelte sein Haar, um ihn zu trösten, und massierte ihm die starren Nackenmuskeln, ohne die verletzten Stellen zu berühren. »Leg deinen Kopf an meine Schulter, Mann«, sagte ich und dachte an Jenny und ihren Jungen.
Jamie grunzte belustigt auf. »Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt«, murmelte er. »Als ich noch klein war.«
Einen Moment darauf sagte er an meiner Schulter: »Sassenach?«
»Mm?«
»Wer in Gottes Namen ist John Wayne?«
»Du bist das«, sagte ich. »Schlaf jetzt.«
Kapitel 37
Die Flucht
Am Morgen sah er besser aus, obwohl sich die Blutergüsse im Lauf der Nacht dunkel verfärbt hatten und ihm den Großteil des Gesichtes marmorierten. Er seufzte tief, dann erstarrte er stöhnend und atmete um einiges vorsichtiger aus.
»Wie fühlst du dich?« Ich legte ihm die Hand auf die Stirn. Kühl und feucht. Kein Fieber, Gott sei Dank.
Er verzog das Gesicht, ohne die Augen zu öffnen. »Sassenach, mir tut alles weh.« Er streckte die gesunde Hand aus und tastete umher. »Hilf mir auf, ich bin steif wie ein Brett.«
Im Lauf des Vormittags hörte es auf zu schneien. Der Himmel war immer noch so grau wie Wolle und drohte mit weiteren Flocken, doch die Drohung eines Suchtrupps aus Wentworth war größer, und so verließen wir Eldridge Manor kurz vor Mittag in schweren Umhängen, die uns vor dem Wetter schützen sollten. Murtagh und Jamie strotzten darunter vor Waffen. Ich hatte nichts dabei außer meinem Dolch, den ich gut versteckt hatte. Sehr gegen meinen Willen sollte ich als entführte englische Geisel posieren, falls es zum Schlimmsten kam.
»Aber man hat mich doch im Gefängnis schon gesehen«, hatte ich argumentiert. »Sir Fletcher weiß genau, wer ich bin.«