Jamie war halb bewusstlos, eine sperrige Last, die sich nur widerwillig an das Schott lehnen ließ. »Ich werde sterben«, sagte er schwach, aber deutlich. »Je eher, desto besser. Geht doch einfach und lasst es mich in Frieden tun.«
Murtagh packte Jamie fest bei seinem flammenden Haar, zwang seinen Kopf in die Höhe und hielt ihm die Flasche an die Lippen. »Das schluckst du jetzt, mein Mäuschen, sonst breche ich dir den Hals. Und sieh ja zu, dass du es bei dir behältst. Ich halte dir Mund und Nase zu; wenn es dir hochkommt, kann es dir nur zu den Ohren herauskommen.«
Mit vereinter Willenskraft beförderten wir den Inhalt der Flasche langsam, aber unerbittlich in den Magen des jungen Herrn von Lallybroch. Hustend und würgend trank Jamie tapfer, so viel er konnte, ehe er sich mit grünem Gesicht keuchend an die Wand sinken ließ. Murtagh unterdrückte jede drohende Übelkeitsexplosion, indem er ihn heftig in die Nase kniff, eine Methode, die nicht immer von Erfolg gekrönt war, die jedoch nach und nach dazu führte, dass eine zunehmende Dosis des Opiats in den Blutkreislauf des Patienten überging. Schließlich legten wir ihn erschlafft auf das Bett, wo das leuchtende Rot seines Haars, seiner Augenbrauen und seiner Wimpern die einzige Farbe auf dem Kissen war.
Etwas später trat Murtagh zu mir auf das Deck. »Da«, sagte ich und hob die Hand. Das schwache Licht des Sonnenuntergangs, der seine flüchtigen Strahlen durch die Wolken schickte, vergoldete die Felsen der französischen Küste. »Der Kapitän sagt, in drei oder vier Stunden sind wir an Land.«
»Das ist keine Minute zu früh«, grummelte mein Begleiter und wischte sich das strähnige braune Haar aus den Augen. Er wandte sich mir zu, und seine Miene war einem Lächeln so ähnlich, wie ich es nie zuvor in seinem mürrischen Gesicht gesehen hatte.
Und so durchschritten wir am Ende unserer Reise hinter dem Körper unseres Schützlings, der zwischen zwei kräftigen Mönchen ausgestreckt auf einer Planke lag, die hohen Pforten der Abtei der heiligen Anne de Beaupré.
Kapitel 38
Die Abtei
Das Kloster war ein gewaltiges Bauwerk aus dem zwölften Jahrhundert, dessen Mauern dazu gebaut waren, der stürmischen See genauso zu trotzen wie den Angriffen der Invasoren von der Landseite. Jetzt, in friedlicheren Zeiten, standen seine Tore offen, um den reibungslosen Handel mit dem nahe gelegenen Dorf zu ermöglichen, und man hatte die kleinen steinernen Zellen des Gästeflügels mit Wandteppichen und Möbeln wohnlich gestaltet.
Ich erhob mich von dem Polstersessel in meinem Kämmerchen, unsicher, wie man wohl einen Abt begrüßte; kniete man sich hin und küsste seinen Ring, oder galt das nur für Päpste? Ich entschied mich für einen respektvollen Hofknicks.
Jamies Katzenaugen kamen
Außerdem hatte Abt Alexander auch den breiten Mund seines Neffen, obwohl ich den Eindruck hatte, dass er nicht so oft damit lächelte. Seine schrägen blauen Augen blieben kühl und nachdenklich, während er mich mit einem freundlichen, warmen Lächeln begrüßte. Er war um einiges kleiner als Jamie, etwa so groß wie ich, und kräftig. Er trug zwar die Robe eines Priesters, doch er bewegte sich mit dem Schritt eines Kriegers. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass er beides schon gewesen war.
»Ihr seid mir willkommen,
»Ich bin Euch dankbar für Eure Gastfreundschaft«, sagte ich von Herzen. »Habt … habt Ihr Jamie schon gesehen?« Die Mönche hatten Jamie mitgenommen, um ihn zu baden, ein Vorgang, bei dem ich ihnen besser freie Hand ließ, dachte ich.
Der Abt nickte. »Oh, aye«, sagte er, und ein leiser schottischer Akzent mischte sich unter sein kultiviertes Englisch. »Das habe ich. Ich habe Bruder Ambrose zu ihm geschickt, damit er sich um seine Verletzungen kümmert.« Meine Miene muss skeptisch gewesen sein, denn er setzte etwas trocken hinzu: »Sorgt Euch nicht, Madame, Bruder Ambrose ist äußerst kompetent.« Er betrachtete mich auf eine offen taxierende Weise, die der Art seines Neffen verstörend ähnlich war.
»Murtagh sagt, Ihr seid selbst eine fähige Heilerin.«
»Das stimmt«, sagte ich unverblümt.
Diesmal war sein Lächeln echt. »Ich sehe, dass Euch die Sünde der falschen Bescheidenheit fremd ist«, stellte er fest.
»Dafür habe ich andere Fehler«, sagte ich und lächelte ebenfalls.
»Das wiederum gilt für uns alle«, meinte er. »Ich bin sicher, dass Bruder Ambrose es gar nicht erwarten kann, sich mit Euch zu unterhalten.«
»Hat Euch Murtagh erzählt … was geschehen ist?«, fragte ich zögernd.
Sein breiter Mund spannte sich an. »Ja. Soweit er