Читаем Outlander – Feuer und Stein: 1 (German Edition) полностью

Und dann ließ ich mich von der Stille umwogen wie von den Falten eines Umhangs, der mir Schutz vor der Kälte bot. Und ich wartete, wie es mir Anselm gesagt hatte, und die Minuten verstrichen ungezählt.

An der Rückwand der Kapelle stand ein kleiner, mit einem Leintuch gedeckter Tisch mit dem Weihwasserbecken und daneben einer Bibel und zwei oder drei anderen spirituellen Werken. Für jene Betenden vermutlich, denen die Stille zu viel wurde.

Mir wurde sie zu viel, und ich erhob mich, holte mir die Bibel und nahm sie mit zu meinem Betstuhl. Ich war gewiss nicht die erste Person, die sich in Zeiten der Verwirrung oder Sorge auf die Bibliomantie verlegte. Der Kerzenschein reichte zum Lesen aus, und ich blätterte vorsichtig durch die dünnen Seiten und blinzelte, um die feine schwarze Type zu entziffern.

»Aber die Hand des Herrn ward schwer und verderbte sie und schlug sie mit bösen Beulen …« Großartig, dachte ich. Lieber doch die Psalmen.

»Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch … ich bin ausgeschüttet wie Wasser, all meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzen Wachs.« Nun ja, eine kompetente Diagnose, dachte ich etwas ungeduldig. Doch wo blieb die Behandlung?

»Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile mir zu helfen! Errette meine Seele vor dem Schwert, meine einsame Seele vor den Hunden.« Hm.

Ich wandte mich dem Buch Hiob zu, das zu Jamies Lieblingskapiteln zählte. Wenn irgendjemand in der Lage war, hilfreiche Ratschläge zu erteilen …

»Sein eigen Fleisch macht ihm Schmerzen, und seine Seele ist ihm voll Leides.« Mmm, ja, dachte ich und blätterte weiter.

»Auch straft er ihn mit Schmerzen auf seinem Bette und alle seine Gebeine … Sein Fleisch wird verzehrt, dass man’s nimmer sehen kann, und seine Gebeine ragen hervor.« Treffer, dachte ich. Und jetzt?

»Dass seine Seele naht zum Verderben und sein Leben zu den Toten.« Nicht so gut, doch was dann kam, war ermutigender. »So dann für ihn ein Engel als Mittler eintritt, einer aus tausend, zu verkündigen dem Menschen, wie er solle recht tun, so wird er ihm gnädig sein und sagen, erlöse ihn, dass er nicht hinunterfahre ins Verderben; denn ich habe ihn freigekauft. Sein Fleisch wird wieder grünen wie in der Jugend, und er wird wieder jung werden.« Und was war der Preis, mit dem man eine Menschenseele freikaufte und vor den Hunden errettete?

Ich schloss das Buch und die Augen. Die Worte verschwammen in meiner Not. Verzweiflung überwältigte mich, als ich Jamies Namen sprach. Und doch war da auch Friede, und die Anspannung ließ nach, als ich wieder und wieder sagte: »O Herr, in Deine Hände befehle ich die Seele Deines Dieners James.«

Mir kam der Gedanke, dass es vielleicht besser für Jamie war, wenn er starb; er hatte ja gesagt, dass er das wollte. Wenn ich seinem Wunsch nachkam und ihn verließ, war ich mir absolut sicher, dass er bald tot sein würde, entweder durch die Nachwirkungen der Folter und seiner Verletzungen, durch den Galgen oder gefallen in irgendeiner Schlacht. Und ich zweifelte nicht daran, dass er das ebenfalls wusste. Sollte ich tun, was er wollte? Ich werde den Teufel tun, sagte ich mir. Ich werde den Teufel tun, sagte ich leidenschaftlich zu der Monstranz auf dem Altar und schlug das Buch wieder auf.

Es dauerte eine Weile, ehe mir bewusst wurde, dass mein bittender Gedankengang kein Monolog mehr war. Tatsächlich begriff ich es erst, als mir klar wurde, dass ich gerade eine Frage beantwortet hatte, obwohl ich mich gar nicht daran erinnern konnte, dass ich sie gestellt hatte. In der Trance meines schlaflosen Elends war ich etwas gefragt worden, ich war mir nur nicht sicher, was, und ohne zu überlegen, hatte ich geantwortet: »Ja, das werde ich.«

Abrupt stellte ich alle Gedanken ein und lauschte dem Widerhall der Stille. Und dann wiederholte ich vorsichtiger, immer noch lautlos: »Ja. Ja, das werde ich«, und dachte flüchtig: Die Grundvoraussetzungen für die Sünde sind diese, dass man seine volle Zustimmung dazu gibt … Und das ist auch die Grundvoraussetzung für den Zustand der Gnade, erklang das leise Echo von Anselms Stimme.

Ich hatte das Gefühl, nicht plötzlich, aber durchdringend, mir wäre etwas gegeben worden, das ich unsichtbar in den Händen hielt. Kostbar wie ein Opal, glatt wie Gagat, schwer wie ein Flusskiesel, zerbrechlicher als ein Vogelei. Unendlich und still, lebendig wie die Wurzel der Schöpfung. Mir nicht geschenkt, sondern anvertraut, auf dass ich es innig liebte und sanft behütete. Die Worte sprachen sich selbst und verschwanden in den Schatten der Kapellendecke.

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