Er wandte sich dem Bett zu, und ich sah mich auf der Suche nach einer Erklärung verstört nach Anselm um.
»Das Sakrament der letzten Ölung«, erklärte er und kam näher, um trotz seiner leisen Stimme die am Bett versammelten Mönche nicht zu stören.
»Die letzte Ölung! Das ist doch für Menschen, die im Sterben liegen.«
»Schsch.« Er zog mich etwas vom Bett fort. »Man könnte es zutreffender auch als Krankensalbung bezeichnen, obwohl es tatsächlich meistens jenen vorbehalten ist, die in Lebensgefahr schweben.« Die Mönche hatten Jamie sacht auf den Rücken gedreht, vorsichtig, um seinen wunden Schultern möglichst wenig Schmerzen zuzufügen.
»Dieses Sakrament dient einem doppelten Zweck«, murmelte mir Anselm ins Ohr, während die Vorbereitungen ihren Lauf nahmen. »Erstens ist es als Sakrament der Heilung gedacht; wir beten, dass der Leidende wieder gesund werde, so dies denn Gottes Wille für ihn ist. Das Chrisam, das geweihte Öl, ist ein Symbol des Lebens und der Heilung.«
»Und der zweite Zweck?«, fragte ich, obwohl ich es bereits wusste.
Anselm nickte. »Wenn es nicht Gottes Wille ist, dass er sich erholt, wird ihm die Vergebung seiner Sünden erteilt und wir befehlen ihn Gott an, auf dass seine Seele in Frieden Abschied nehme.« Er sah, wie ich mich anspannte, um zu protestieren, und legte mir warnend die Hand auf den Arm.
»Dies sind die letzten Riten der Kirche. Er hat ein Recht darauf und auf den Frieden, den sie ihm bringen mögen.«
Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Jamie lag auf dem Rücken, ein Tuch über die Lenden drapiert, um den Anstand zu wahren, und am Kopf- und Fußende des Bettes brannten Kerzen, die mich unangenehm an Grablichter erinnerten. Abt Alexander saß an seinem Bett, begleitet von einem Mönch, der ein Tablett mit einer zugedeckten Hostienschale und zwei kleinen Silberflaschen mit Weihwasser und Chrisam trug und ein weißes Tuch über den Unterarmen liegen hatte. Wie ein verflixter Sommelier, dachte ich gereizt. Die ganze Prozedur ließ mich erschauern.
Die Riten wurden auf Lateinisch abgehalten, ein leiser, murmelnder Wechselgesang, der beruhigend klang, obwohl ich den Wortlaut nicht verstand. Anselm flüsterte mir die Bedeutung einiger Teile der Zeremonie zu; andere erklärten sich von selbst. An einem Punkt winkte der Abt, und Polydore trat vor und hielt Jamie ein kleines Fläschchen unter die Nase. Es musste Ammoniakgeist oder ein anderes Stimulanz enthalten, denn er fuhr zusammen und wandte heftig den Kopf ab, ohne die Augen zu öffnen.
»Warum versuchen sie denn, ihn zu wecken?«, flüsterte ich.
»Wenn möglich, sollte die Person bei Bewusstsein sein, um bestätigen zu können, dass sie die Sünden bereut, die sie in ihrem Leben begangen hat. Falls er imstande ist, sie zu empfangen, wird ihm der Abt außerdem die heilige Kommunion spenden.«
Der Abt streichelte Jamie sacht die Wange und wandte seinen Kopf wieder dem Fläschchen zu, während er leise mit ihm sprach. Er hatte vom Lateinischen in das breite Schottisch ihrer Familie gewechselt, und seine Stimme klang sanft.
»Jamie! Jamie, Junge! Ich bin’s, Alex, Junge. Ich bin hier bei dir. Du musst einen Moment aufwachen, nur kurz. Ich erteile dir jetzt die Absolution und spende dir dann die heilige Kommunion. Trink nun ein Schlückchen, damit du mir antworten kannst, wenn du musst.« Bruder Polydore hielt Jamie einen Becher an die Lippen und flößte ihm tropfenweise Wasser ein, bis seine ausgetrocknete Zunge und Kehle mehr aufnehmen konnten. Seine Augen waren offen, immer noch vom Fieber beschwert, aber einigermaßen wach.
Dann fuhr der Abt fort. Er stellte seine Fragen zwar auf Englisch, aber so leise, dass ich sie kaum hörte. »Widersagst du Satan und all seinen Werken?«, »Glaubst du an die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus?« Und so weiter. Auf jede Frage antwortete Jamie mit einem kratzig geflüsterten »Aye«.
Als er das Sakrament erhalten hatte, legte sich Jamie mit einem Seufzer zurück und schloss erneut die Augen. Bei jeder Atembewegung seiner eingesunkenen Brust konnte ich seine Rippen sehen. Übelkeit und Fieber hatten furchtbar an ihm gezehrt. Der Abt, der nacheinander zu Weihwasser und Chrisam griff, beschrieb das Kreuzzeichen über seinem Körper und salbte ihm Stirn, Lippen, Nase, Ohren und Augenlider. Dann zeichnete er ihm mit dem heiligen Öl das Kreuz über dem Herzen auf die Brust, auf beide Handflächen und auf beide Fußsohlen. Die verletzte Hand hob er mit unendlicher Vorsicht an, strich das Öl ganz leicht über die Wunden, und legte Jamie die Hand wieder auf die Brust, so dass sie unterhalb der brennend roten Messernarbe ruhte.
Die Salbung verlief schnell und unermesslich sanft, und die raschen Daumenbewegungen des Abtes berührten Jamie wie eine Feder. »Abergläubischer Hokuspokus«, sagte der rationale Teil meines Gehirns, doch die Liebe in den Gesichtern der betenden Mönche berührte mich zutiefst. Jamies Augen waren wieder offen, jedoch von Ruhe erfüllt, und zum ersten Mal seit unserem Aufbruch aus Lallybroch war Friede in seinem Gesicht.