»Nicht zu fest ziehen«, sagte sie. »Manchmal platzen sie.« Ich erschauerte unwillkürlich bei dieser Vorstellung. »Aber wenn sie fast satt sind, lassen sie meistens einfach los. Wenn nicht, lasst sie, und sie fallen von selbst ab.« Dieser Blutegel ließ tatsächlich einfach los und hinterließ ein kleines Blutrinnsal an der Stelle, an der er gesessen hatte. Ich betupfte die kleine Wunde mit einem Handtuchzipfel, den ich in die Essiglösung getaucht hatte. Zu meiner Überraschung hatten die Egel gewirkt; die Schwellung war beträchtlich zurückgegangen, und das Auge war zumindest teilweise offen, obwohl das Lid noch dick war. Mrs. Fitz untersuchte es kritisch und beschloss, keinen weiteren Blutegel zu nehmen.
»Du wirst morgen einen außerordentlich schönen Anblick bieten, Junge«, prophezeite sie und schüttelte den Kopf, »aber wenigstens wirst du etwas sehen können. Jetzt solltest du ein Stückchen rohes Fleisch darauflegen und einen Tropfen Suppe mit einem Schluck Bier trinken, um dich zu stärken. Komm gleich in die Küche, dort bekommst du beides.« Sie ergriff ihr Tablett, hielt aber kurz inne.
»Was du getan hast, war sehr lieb von dir, Junge. Laoghaire ist meine Enkeltochter; ich danke dir an ihrer Stelle. Obwohl sie dir besser persönlich danken sollte, wenn sie Manieren hat.« Sie tätschelte Jamie die Wange und watschelte ebenso schwerfällig wie behende davon.
Ich untersuchte ihn nun sorgfältig; die archaische Behandlung war überraschend wirksam gewesen. Das Auge war zwar immer noch etwas geschwollen, aber kaum verfärbt, und der Riss in der Lippe war jetzt eine saubere Linie, die nicht mehr blutete und kaum dunkler als das umliegende Gewebe war.
»Wie fühlst du dich?«, fragte ich.
»Gut.« Ich muss ihn ungläubig angesehen haben, denn er lächelte, allerdings vorsichtig wegen der Verletzungen an seinem Mund. »Es sind doch nur ein paar blaue Flecken. Sieht so aus, als müsste ich mich schon wieder bei dir bedanken; jetzt hast du mich an drei Tagen schon dreimal verarztet. Du musst mich für einen ziemlichen Tollpatsch halten.«
Ich berührte eine rote Stelle an seinem Kinn. »Nicht für einen Tollpatsch. Aber ein bisschen tollkühn vielleicht.« Mir fiel eine Bewegung am Eingang zum Hof ins Auge, wo es gelb und blau aufblitzte. Das Mädchen namens Laoghaire hielt sich schüchtern im Hintergrund, als sie mich sah.
»Ich glaube, da ist jemand, der dich allein sprechen möchte«, sagte ich. »Ich gehe dann. Aber der Verband an deiner Schulter kann morgen abgenommen werden. Ich komme zu dir.«
»Aye. Nochmals danke.« Er drückte mir zum Abschied sacht die Hand. Ich entfernte mich und warf im Vorübergehen einen neugierigen Blick auf das Mädchen. Aus der Nähe war sie noch hübscher, mit sanften blauen Augen und samtiger Haut. Sie leuchtete geradezu, als sie Jamie ansah. Während ich den Innenhof hinter mir ließ, fragte ich mich, ob seine ritterliche Geste tatsächlich so selbstlos gewesen war wie zunächst vermutet.
Nachdem mich am Morgen das Gezwitscher der Vögel im Freien und der Menschen in der Burg geweckt hatte, zog ich mich an und suchte mir durch die zugigen Korridore meinen Weg zum Speisesaal. Dieser war jetzt wieder umgeräumt, und aus riesigen Kesseln wurde Porridge verteilt, zusammen mit auf dem Feuer gebackenem Fladenbrot, das mit Melasse beträufelt war. Der Duft des dampfenden Essens war so kräftig, dass man sich fast daran anlehnen konnte. Ich fühlte mich immer noch benommen und verwirrt, doch ein warmes Frühstück stärkte mich für einen Erkundungsgang.
Mrs. FitzGibbons steckte bis zu den Ellbogen in Mehlteig, als ich ihr mitteilte, dass ich Jamie suchen wollte, um ihm den Verband abzunehmen und mir einen Eindruck davon zu verschaffen, wie es um die Heilung seiner Schussverletzung stand. Sie winkte mit ihrer weiß verschmierten Hand, und einer ihrer kleinen Helfer kam herbei.
»Alec, lauf und such Jamie, den neuen Pferdeknecht. Sag ihm, er soll mit dir kommen, um sich die Schulter verarzten zu lassen. Wir sind im Kräutergarten.« Sie schnippte mit den Fingern, und der Junge trollte sich, um meinen Patienten ausfindig zu machen.
Mrs. FitzGibbons überließ einer Küchenmagd den Teig, wusch sich die Hände und wandte sich mir zu.
»Es wird ein bisschen dauern, bis sie zurück sind. Möchtet Ihr vielleicht in der Zeit einen Blick auf den Kräutergarten werfen? Ihr scheint Euch ja mit Pflanzen auszukennen, und wenn Ihr wollt, könntet Ihr hin und wieder dort mit Hand anlegen.«