Als er sah, wer es war, verlor sein Gesicht auf der Stelle den mörderischen Ausdruck und nahm eine Miene an, die mich zwar höflich willkommen hieß, die jedoch den Eindruck vermittelte, dass er über unsere Anwesenheit nicht ganz so glücklich war, wie ich mir das gewünscht hätte. Der Korb mit Essbarem, den Mrs. Fitz Alec in weiser Voraussicht mitgegeben hatte, trug allerdings beträchtlich dazu bei, seine gute Laune wiederherzustellen – ja, sie kannte die jungen Männer.
»Ach, reg dich nicht so auf, du kleines Biest«, sagte er zu der Stute, die immer noch schnaubend auf der Stelle tänzelte. Dann schickte er Alec mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter davon, hob die Decke auf, die vom Rücken der Stute gefallen war, schüttelte sie und breitete sie mir galant zum Sitzen aus.
Taktvoll vermied ich es, den Zwischenfall mit der Stute zu erwähnen, und schenkte ihm stattdessen etwas Ale ein und bot ihm Brot und Käse an.
Er aß mit derart unbeirrbarer Konzentration, dass mir jetzt wieder einfiel, dass er die letzten beiden Abende beim Essen gefehlt hatte.
»Hab’s verschlafen«, erklärte er, als ich ihn fragte, wo er gewesen war. »Ich bin direkt schlafen gegangen, nachdem ich mich von dir verabschiedet hatte, und bin erst gestern Morgen wieder aufgewacht. Und gestern habe ich nach der Halle noch ein bisschen gearbeitet und mich dann auf einen Heuballen gesetzt, um mich vor dem Abendessen ein bisschen auszuruhen.« Er lachte. »Als ich heute Morgen aufgewacht bin, saß ich immer noch da, und ein Pferd hat mir am Ohr geknabbert.«
Ich hatte den Eindruck, dass ihm die Ruhe gutgetan hatte; die Prellungen, die die gestrigen Fausthiebe hinterlassen hatten, waren zwar dunkelblau, doch die Haut ringsum hatte eine gesunde Farbe, und er selbst hatte auf jeden Fall ordentlich Hunger.
Ich sah zu, wie er den Rest der Mahlzeit wegputzte, sich dann mit der angefeuchteten Fingerspitze die Krümel vom Hemd tupfte und sie in den Mund steckte.
»Du hast ja einen gesunden Appetit«, stellte ich lachend fest. »Ich habe den Eindruck, du würdest sogar Gras essen, wenn es sonst nichts gäbe.«
»Das habe ich schon getan«, sagte er ganz ernst. »Es schmeckt nicht schlecht, aber es macht nicht besonders satt.«
Ich war verblüfft, dachte dann aber, dass er mich vermutlich nur aufzog. »Wann das denn, bitte sehr?«, fragte ich also eher spaßeshalber.
»Vorletzten Winter. Ich habe mit den … mit ein paar anderen Jungs im Wald gelebt, und wir haben im Grenzgebiet Kühe gestohlen. Wir hatten über eine Woche nichts als Pech und hatten kaum noch etwas zu essen dabei. Hin und wieder haben wir von einem Bauern etwas Porridge bekommen, aber diese Leute sind ja selbst so arm, dass sie eigentlich überhaupt nichts entbehren können. Natürlich treiben sie immer etwas auf, was sie einem Fremden geben. Aber zwanzig Fremde sind auch für den gastfreundlichsten Highlander ein bisschen zu viel.«
Er grinste plötzlich. »Kennst du – nein, wohl kaum. Fast hätte ich gefragt, kennst du das Tischgebet der Bauern?«
»Nein. Wie geht es denn?«
Er schüttelte sich das Haar aus den Augen und rezitierte:
»Pooch nane?«, erkundigte ich mich. Er klopfte auf den Sporran an seinem Gürtel.
»Steck’s dir in den Bauch, nicht in die Tasche«, erklärte er.
Er griff nach einem der langen Grashalme und zog ihn sauber aus seiner Hülle. Dann drehte er ihn langsam zwischen den Händen hin und her, so dass die Ähren im Kreis flogen.
»Es war schon spät im Winter und mild, was unser Glück war, sonst wären wir nicht durchgekommen. Meistens konnten wir ein paar Kaninchen in Schlingen fangen – haben sie manchmal roh gegessen, wenn wir kein Feuer riskieren konnten – und hin und wieder ein Reh. Aber zu dem Zeitpunkt, von dem ich spreche, hatten wir tagelang kein Wild mehr gesehen.«
Er bohrte seine weißen Zähne in den Grashalm. Ich pflückte mir ebenfalls einen Halm und knabberte an seinem Ende. Er schmeckte süßsäuerlich, aber nur ein paar Zentimeter waren weich genug zum Essen; nicht sehr ergiebig.
Jamie warf den halb angenagten Halm fort, pflückte sich einen neuen und fuhr mit seiner Geschichte fort.