Er ließ den Dealer los und schubste ihn rüber zu Chase. „Bring ihn hier raus. Geh hintenrum zum Wagen und fahr ihn ins Quartier. Ich gehe runter und richte den Arschlöchern Sullivans Bedauern aus, dass er verhindert ist.“
Während Chase Sullivan an den Armen packte, um ihn aus der Wohnung zu schaffen, schlüpfte Dante durch die Tür ins Treppenhaus und war im Nu auf der regennassen Straße. Er blieb vor der Limousine stehen und betrachtete durch die Frontscheibe die zwei Menschen im Wagen.
Wie Dante vermutet hatte, waren es Lakaien, geistige Sklaven eines Gen-Eins-Vampirs, der sie erschaffen hatte, indem er ihre Menschlichkeit abzapfte, sie zur Ader ließ, bis kaum noch Leben in ihnen war. Lakaien waren lebende und atmende Menschen, aber ohne Bewusstsein, sie lebten nur dafür, die Befehle ihres Meisters auszuführen.
Und man konnte sie töten.
Dante grinste sie an. Er war mehr als bereit, sie zu erledigen.
Der Schwachkopf auf dem Beifahrersitz blinzelte, als wäre er nicht sicher, was er da vor sich hatte. Der am Lenkrad besaß bessere Reflexe. Während sein Begleiter noch nutzlose Flüche ausstieß, legte er einen Gang ein und trat das Gaspedal durch.
Der Motor röhrte laut auf, und die Limousine schoss auf Dante zu, aber der war gewappnet. Er pflanzte beide Hände auf die Motorhaube, stemmte sich dagegen und griente höhnisch, als die Reifen auf dem nassen Straßenbelag durchdrehten. Es quietschte und qualmte, aber der Wagen bewegte sich nicht einen Zentimeter vorwärts. Als der Fahrer den Rückwärtsgang einlegte, sprang Dante auf die Motorhaube. Der Wagen versuchte schlingernd Fahrt aufzunehmen.
Dante ritt im Stehen auf dem Kühler wie auf einem Surfbrett in der Brandung. Dann stieß er mit dem Absatz seines Stiefels zu und zerschmetterte krachend die Windschutzscheibe. Das zertrümmerte Glas fiel aus dem Rahmen, Splitter flogen in alle Richtungen, als er sich in das Auto zwischen die beiden Lakaien schwang.
„Hallo, Jungs. Wo zum Teufel soll’s denn heute hingehen?“
Sie drehten durch, versuchten ihn zu packen, zu schlagen, sogar zu beißen, doch das alles war nur lästig. Dante zog hart die Handbremse, und der Wagen schleuderte heftig herum.
Er spürte, wie etwas Spitzes seinen rechten Oberschenkel durchbohrte und roch die metallische Note seines eigenen austretenden Blutes. Als er wütend aufbrüllte, schossen seine Fangzähne aus dem Gaumen, seine Pupillen verengten sich zu Schlitzen und seine Augen wurden durchdringend wie Laserstrahlen. Er langte nach dem Lakai auf der Beifahrerseite und packte sein Haar am Hinterkopf. Mit einem einzigen gewaltigen Stoß schmetterte er das Gesicht des Menschen auf das Armaturenbrett und tötete ihn augenblicklich.
Auf der anderen Seite versuchte der Fahrer verzweifelt zu entkommen. Hektisch tastete er nach dem Griff, riss die Tür auf, fiel auf den nassen Asphalt und flüchtete zu einem der schmalen Durchgänge zwischen den Wohnblocks.
Dante stürmte ihm nach und grätschte ihn zu Boden. Er war auf einen Nahkampf aus, wusste aber, dass er den Lakaien nicht umbringen durfte, ehe er nicht ein paar Antworten hatte: wem er diente und wo dieser Vampir zu finden war. Nach dem Namen dessen, der die Lakaien geschaffen hatte, brauchte Dante im Grunde nicht zu fragen. Aufgrund der Ereignisse vor ein paar Monaten wusste der Orden, dass der Vampir, den sie ausschalten mussten, Lucans Bruder Marek war. Aber sie wussten nicht, wo er untergeschlüpft war, seit er im vergangenen Sommer dem Angriff der Krieger entkommen konnte.
„Wo ist er?“, fragte Dante fordernd, drehte den Lakaien um und versetzte ihm einen harten Schlag gegen das Kinn. „Wo finde ich den Meister deines erbärmlichen Arschs?“
„Verpiss dich“, zischte der Lakai.
Dante verpasste ihm noch einen Schlag, dann zog er seine Klinge und hielt sie dem Menschen an die Wange.
„Bring es zu Ende und töte mich, Vampir. Von mir erfährst du nichts.“
Dante fand das Angebot des mental Versklavten ungeheuer verlockend, aber stattdessen zerrte er ihn vom Boden hoch und schleuderte ihn an die Löschbeton-Fassade des nächstgelegenen Gebäudes. Das Krachen, mit dem der Schädel gegen die Hauswand schlug, schenkte ihm ein wenig finstere Genugtuung.
„Wie wär’s, wenn ich dich Stück für Stück in kleine Scheiben schneide?“, fauchte er, seine Stimme ein tiefes Grollen durch die gebleckten Fangzähne. „Es ist mir schnurz, ob du redest oder nicht, aber dein Geschrei werde ich mit Sicherheit höllisch genießen.“
Der Lakai ächzte, als sich die Klinge in seinen fleischigen Hals bohrte. Dante spürte, wie er sich wand, aber plötzlich vernahm er das Klicken, mit dem eine Handfeuerwaffe entsichert wurde. Noch ehe er sie ihm abnehmen konnte, hob der Lakai den Arm.
Er richtete die Waffe nicht auf Dante, sondern gegen sich selbst. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er den Lauf an der Schläfe und drückte ab.
„Gottverdammt!“