Читаем 0701759001361827618 adrian lara - midnight breed 02 полностью

Es war für eine Stammesgefährtin nicht ungewöhnlich, über mindestens eine außergewöhnliche oder übersinnliche Fähigkeit zu verfügen – eine Gabe, die sie einst an ihren Stammesnachwuchs weitergeben würde. Welche genetische Anomalie es auch sein mochte, die einige wenige Frauen fruchtbar für den Samen eines Vampirs machte und – bei regelmäßiger Aufnahme seines Blutes – ihren Alterungsprozess einfror, es veränderte sie auch sonst im Vergleich zu anderen menschlichen Frauen.

Für Dantes Mutter bestand diese Gabe im schrecklichen Vorauswissen künftiger Ereignisse. Bei Gideons Gefährtin Savannah war es Psychometrie – die Fähigkeit, die Vorgeschichte eines Gegenstands aus ihm lesen zu können. Genauer gesagt konnte sie sogar die Vorgeschichte des Besitzers daraus lesen. Gabrielle, die Stammesgefährtin, die erst vor Kurzem als Lucans Frau zum Orden gestoßen war, hatte eine intuitive Sehkraft, mit der sie die Zufluchtsorte von Vampiren aufspüren konnte. Zudem verfügte sie über einen ungewöhnlich starken Geist, der sie – nahezu undurchdringlich – vor Gedankenkontrolle schützte, selbst bei den Mächtigsten von Dantes Art.

Und Tess besaß die erstaunliche Gabe, durch Berührung zu heilen. Die Tatsache, dass sie fähig war, Dantes Beinverletzung zu kurieren, bedeutete auch, dass ihre Heilkunst die des Stammes noch übertraf. Sie wäre ein enormer Gewinn für sein Volk. Himmel, wenn er nur daran dachte, wie viel Gutes sie bewirken könnte …

Dante schob den Gedanken von sich, ehe er sich in seinem Kopf einnisten konnte. Was hier geschehen war, änderte nichts an der Tatsache, dass er auf geborgte Zeit lebte und in erster Linie dem Stamm verpflichtet war. Er wollte Tess vor dem Schmerz ihrer Vergangenheit schützen. Aber es wäre nicht fair, sie zu bitten, das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, hinter sich zu lassen. Noch viel weniger fair war, was er in der ersten Nacht getan hatte, als er von ihrem Blut trank und sie beide unauflösbar miteinander verband.

Jetzt, wo er neben ihr lag, ihre Haut streichelte und ihren zimtig-süßen Duft atmete, wollte Dante nichts lieber, als sich Tess zu schnappen und sie mit sich fortzutragen. Sie mit ins Quartier des Stammes zu nehmen, wo sie in Sicherheit wäre vor all dem Bösen, das ihr hier an der Oberfläche begegnen konnte.

Bösem wie ihrem Stiefvater, der ihr unendliches Leid bereitet hatte. Tess befürchtete, dass der Mord an diesem Dreckskerl sie genauso schlecht machte, aber Dante empfand tiefen Respekt vor dem, was sie getan hatte. Sie hatte ein Monster zur Strecke gebracht und sich selbst und weiß Gott wie viele andere vor seinen Schandtaten bewahrt.

In Dantes Augen hatte Tess sich schon in zartem Alter als Kriegerin bewährt, und der altertümliche Teil in ihm, der noch für Werte wie Ehre und Gerechtigkeit einstand, hätte am liebsten der ganzen schlafenden Stadt entgegengeschrien, dass dies seine Frau war.

Meine, dachte er wild und selbstsüchtig.

Er beugte sich über sie und hauchte ihr einen Kuss auf das zierliche Schulterblatt, da klingelte in der Küche das Telefon. Mit einem raschen mentalen Befehl stellte er es leise, bevor das Läuten Tess wecken konnte. Sie rührte sich, stöhnte leise und murmelte seinen Namen.

„Ich bin hier“, sagte er leise. „Schlaf weiter, mein Engel. Ich bin noch hier.“

Sie schmiegte sich enger an ihn und glitt zurück in den Tiefschlaf. Dante überlegte, wie viel Zeit ihm noch blieb, ehe der Sonnenaufgang ihn vertrieb. Nicht genug, dachte er und staunte aufs Neue darüber, wie er fühlte. Er wusste, dass er seine Gefühle nicht nur der Blutsverbindung zuschreiben konnte, die er unabsichtlich erzwungen hatte.

Nein. Was er für Tess zu empfinden begann, ging um einiges tiefer als das. Es ging bis tief in sein Herz.

„Verdammt noch mal, Tess. Nimm ab!“

Ben Sullivans Stimme klang schrill, sein ganzer Körper zitterte unkontrollierbar vom Trauma einer so entsetzlichen Angst, dass er dachte, er würde das Bewusstsein verlieren.

„Scheiße! Na los … geh doch ran!

Er stand in einer grässlichen öffentlichen Telefonzelle in einer der schlimmsten Gegenden der Stadt und hatte den angeknacksten, dreckverkrusteten Hörer in seinen blutigen Fingern. Mit der freien Hand hielt er sich den Hals, wo er blutverschmiert war von der grässlichen Bisswunde, die ihm zugefügt worden war. Sein Gesicht war geschwollen von brutalen Hieben, und an seinem Hinterkopf pochte schmerzhaft eine Beule von der Größe eines Hühnereis.

Er konnte kaum glauben, dass er noch am Leben war. Er war überzeugt gewesen, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Die rasende Wut, mit der sich dieser Berserker auf ihn gestürzt hatte, verhieß den sicheren Tod. Er war völlig verblüfft, als der Kerl – Himmel, war der überhaupt menschlich? – ihm befahl, aus dem Wagen zu steigen. Dann drückte er ihm das Foto von dem Jungen in die Hand, den er suchte. Er ließ ihn wissen: Wenn dieser Cameron oder Camden oder wie er gleich hieß, als Leiche auftauchte, würde Ben allein die Verantwortung dafür übernehmen müssen.

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