Die Flammen zogen sich zusammen und wurden kleiner. Der Rauch reduzierte sich von massiven, trudelnden Wolken aus Qualm und schwarzer Asche zu dünnen, grauen Schwaden, die zur Raumdecke hinaufwaberten. Dante konnte jetzt wieder atmen, aber noch immer schnürte ihm Furcht die Kehle zu, denn er wusste, dass dies die letzten Minuten seines Lebens sein würden.
Jemand war bei ihm im Raum. Dem Geruch nach ein Mann. Dante selbst lag bäuchlings auf etwas Eiskaltem und Glattem. Sein Häscher zog ihm die Hände hinter den Rücken und fesselte seine Handgelenke mit einer Art Kabel. Er hätte eigentlich in der Lage sein sollen, es wie einen Bindfaden zu zerreißen, aber es funktionierte nicht. Seine Kraft war nutzlos. Als Nächstes fesselte der Häscher Dantes Füße und verband dann beide Fesseln, sodass Dante hilflos auf dem Bauch lag wie ein gefangener Wal, unter ihm eine Platte aus nacktem Metall.
Laute Schläge dröhnten von irgendwoher außerhalb des Raums. Er hörte Kreischen wie von Banshees und roch den kupfernen Gestank des nahenden Todes.
Und dann erklang eine tiefe, spöttische Stimme dicht an seinem Ohr. „Weißt du, ich hatte angenommen, dich zu töten würde schwierig sein. Du hast es mir sehr leicht gemacht.“
Die Stimme verklang in einem amüsierten Kichern. Der Häscher kam um ihn herum nach vorn, wo Dantes Kopf hilflos auf der Metallplatte lag. Beine in Jeans beugten sich am Knie, und langsam kam der Oberkörper des Mannes, der ihn töten wollte, in Dantes Blickfeld. Grobe Finger packten ihn an den Haaren, hoben seinen Kopf an, um ihn direkt anzusehen. In diesem Moment begann die Vision sich so schnell aufzulösen, wie sie gekommen war …
„Ben Sullivan.“ Dante spuckte den Namen aus, als wäre er Asche auf seiner Zunge. Erlöst von der Umklammerung der bösen Vorahnung setzte er sich auf und wischte sich den Schweißfilm von der Stirn. Tegan betrachtete ihn ernst, aber anerkennend. „So ein Dreckskerl. Es ist der Crimson-Dealer, Ben Sullivan. Ich kann’s verdammt noch mal kaum glauben. Dieser Mensch – er ist es, der mich töten wird.“
Tegan schüttelte grimmig den Kopf. „Nicht, wenn wir ihn zuerst töten.“
Dante kam auf die Beine und stützte sich mit einer Hand an der festen Betonmauer neben dem Fahrstuhl ab, um wieder zu Atem zu kommen. Unter seiner Erschöpfung gärte Wut. Wut auf Ben Sullivan, Wut auf den früheren Agenten Sterling Chase, der es offensichtlich auf seine Kappe genommen hatte, den Scheißkerl laufen zu lassen.
„Lass uns verflucht noch mal gehen“, grollte er und marschierte auch schon durch die riesige Garage. Er ließ eine seiner
Bens Entführer hatten ihn sich selbst überlassen. Er saß in einem dunklen, fensterlosen verschlossenen Raum und wartete darauf, dass der auftauchte, den sie Meister nannten – das namenlose, gesichtslose Individuum, das verdeckt die Entwicklung und Verteilung von Crimson finanzierte. Die Zeit tropfte zäh dahin; vielleicht waren schon vierundzwanzig Stunden vergangen, seit er aufgegriffen und hierhin verschleppt worden war. Bis jetzt hatte noch niemand nach ihm gesehen, doch das würden sie bald. In einem dunklen Winkel seines Verstandes wusste Ben, dass er die Konfrontation nicht überleben würde.
Er rappelte sich vom Fußboden hoch und schlich über den nackten Beton zur Stahltür hinüber. Sein Kopf dröhnte von den Schlägen, die er eingesteckt hatte. Seine gebrochene Nase und seine Halswunde waren blutverkrustet und brannten wie Feuer. Ben legte sein Ohr an das kalte Metall der Tür und nahm draußen Bewegung wahr, die lauter wurde. Schwere, polternde Schritte kamen näher und näher, entschlossenes Stampfen von mehr als einer Person, deren harter Trittschall vom metallischen Rasseln der Ketten und Waffen begleitet wurde.
Ben wich zurück und verzog sich so tief er konnte in die Dunkelheit seiner Zelle. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht; die Tür schwang auf, und die zwei riesigen Wachen, die ihn hierhergebracht hatten, kamen herein.
„Er ist jetzt bereit für dich“, knurrte eine der Gestalten.
Beide Männer packten ihn an den Armen und schoben ihn durch die Tür nach draußen in einen dämmrigen Durchgang. Aufgrund der primitiven Unterkunft, in der er eingesperrt gewesen war, hatte Ben angenommen, dass er in einer Art Lagerhalle festgehalten wurde. Doch seine Entführer führten ihn eine Treppe hinauf, und was er dort erblickte, sah eher wie ein opulenter Landsitz aus dem neunzehnten Jahrhundert aus. Poliertes Holz glänzte in dezenter, eleganter Beleuchtung. Unter seinen dreckigen Schuhen erstreckte sich ein riesiger weicher Perserteppich mit Mustern in tiefem Rot, Violett und Gold. Er wurde durch ein Foyer gestoßen, an dessen Decke ein gewaltiger Kronleuchter funkelte.
Für den Augenblick klang Bens Sorge ein wenig ab. Vielleicht würde doch noch alles in Ordnung kommen. Er saß zwar tief in der Scheiße, aber dies hier war nicht der Albtraum, den er erwartet hatte. Keine Folterkammer des Schreckens, wie er befürchtet hatte.