Vor ihm führten geöffnete Flügeltüren in einen weiteren eindrucksvollen Raum. Seine beiden Wachen schoben ihn hinein und blieben mit ihm in der Mitte des großen, formellen Salons stehen. Die Möbel, die Teppiche, die Ölgemälde an den Wänden – all das stank nach gewaltigem Reichtum. Nach altem Reichtum, wie er sich nur anhäufen ließ, wenn ein Vermögen schon seit einigen Jahrhunderten bestand.
Umgeben von all diesem Prunk saß hinter einem massiven, geschnitzten Mahagoni-Schreibtisch ein Mann wie ein dunkler König auf seinem Thron. Er trug einen teuren schwarzen Anzug und eine Sonnenbrille.
Bens Handflächen fingen augenblicklich an zu schwitzen, als er den Kerl anblickte. Seine Erscheinung war beeindruckend. Breite Schultern spannten sich unter dem makellos sitzenden Jackett. Das gebügelte weiße Hemd war am Hals aufgeknöpft, aber das war, so dachte Ben, weniger ein Anzeichen für Nachlässigkeit, sondern eher für Ungeduld. Eine bedrohliche Atmosphäre lag wie eine dichte Wolke in der Luft, und Bens Hoffnung schwand wieder merklich.
Er räusperte sich. „Ich … äh … ich bin sehr froh, dass ich endlich Gelegenheit habe, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte er und verfluchte das Zittern in seiner Stimme. „Wir müssen uns unterhalten … über Crimson …“
„In der Tat, das müssen wir allerdings.“ Die tiefe Entgegnung schnitt Ben das Wort ab und erweckte den Anschein von Gelassenheit. Doch hinter den dunklen Gläsern, die ihn fixierten, brodelte Wut. „Es scheint, dass ich nicht der Einzige bin, den Sie unlängst verärgert haben, Mr. Sullivan. Das ist ja eine ganz ordentliche Wunde da an Ihrem Hals.“
„Ich wurde überfallen. Der Schweinehund hat versucht, mir die Gurgel rauszureißen.“
Bens finsterer Auftraggeber grunzte offensichtlich desinteressiert. „Wer sollte denn so etwas tun?“
„Ein Vampir“, sagte Ben und wusste, wie verrückt sich das anhören musste. Aber was sich am Flussufer abgespielt hatte, war nur die Spitze eines äußerst beunruhigenden Eisbergs. „Das ist auch etwas, worüber ich mit Ihnen reden muss. Wie ich Ihnen bei meinem Anruf schon angedeutet habe, läuft da etwas ziemlich schief mit Crimson. Es … macht irgendwas mit den Leuten. Etwas Schlimmes. Es verwandelt sie in blutrünstige Wahnsinnige.“
„Selbstverständlich, Mr. Sullivan. Das ist genau das, wofür es gedacht war.“
„Was?“ Ungläubigkeit ließ Bens Magen in den unteren Darmtrakt rutschen. „Was reden Sie denn da? Ich habe Crimson selbst entwickelt. Ich weiß, wofür es gedacht ist. Es ist nur ein leichtes Amphetamin …“
„Für Menschen, ja.“ Der dunkelhaarige Mann erhob sich langsam und kam um den gewaltigen Schreibtisch herum. „Für andere, wie Sie ja bereits herausgefunden haben, ist es wesentlich mehr.“
Während er sprach, schaute er hinüber zu der geöffneten Doppeltür. Ein weiteres Paar schwer bewaffneter Wachen – mit zotteligen, ungepflegten Haaren und grimmigen Augen wie glühende Kohle unter den buschigen Brauen – stand an der Türschwelle. Im gedämpften Licht der Kerzen im Raum meinte Ben das Aufschimmern von Fangzähnen hinter den Lippen der Wachen zu sehen. Nervös blickte er zu seinem Auftraggeber.
„Unglücklicherweise habe ich etwas entdeckt, das mir Schwierigkeiten bereitet, Mr. Sullivan. Nachdem Sie mich angerufen hatten, haben einige meiner Mitarbeiter Ihrem Labor in Boston einen Besuch abgestattet und Ihren Computer und Ihre Aufzeichnungen gesucht. Stellen Sie sich meine Bestürzung vor, als ich erfuhr, dass sich keine Formel für Crimson finden ließ. Können Sie mir das erklären?“
Ben hielt dem abgeschirmten Sonnenbrillenblick stand, der ihn nur eine Armeslänge entfernt fixierte. „Ich bewahre die genaue Formel nie im Labor auf. Ich finde, sie ist woanders sicherer – bei mir.“
„Sie werden sie mir geben müssen.“ Es war kaum Klang in den Worten, keine Bewegung in dem mächtigen Körper, der vor ihm stand wie eine undurchdringliche Mauer. „Jetzt, Mr. Sullivan.“
„Ich habe sie nicht bei mir. Das ist bei Gott die reine Wahrheit.“
„Wo ist sie?“
Bens Zunge war wie gelähmt. Er brauchte einen Trumpf zum Verhandeln, und die Formel war alles, was er hatte. Abgesehen davon wollte er diese Halunken nicht Tess auf den Hals hetzen, indem er ihnen verriet, dass die Formel in der Klinik versteckt war. Er hatte nicht vorgehabt, sie dort lange aufzubewahren, nur bis er seine Optionen in diesem Schlamassel ausgelotet hatte. Unglücklicherweise war es nun zu spät, diese Fehlentscheidung zurückzunehmen. Obwohl es für ihn oberste Priorität hatte, seinen eigenen Arsch zu retten, stand es außer Diskussion, Tess ans Messer zu liefern.
„Ich kann sie Ihnen beschaffen“, sagte Ben, „aber dafür müssen Sie mich gehen lassen. Einigen wir uns darauf wie Ehrenmänner. Wir lösen unsere Verbindung hier und jetzt, und jeder geht seiner Wege. Vergessen wir, dass wir uns überhaupt kennen.“
Ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen seines Auftraggebers. „Versuchen Sie nicht, mit mir zu handeln. Sie sind mir unterlegen …