pTo war mehrmals erwacht, seit die Alten ihn mitgenommen hatten, aber jedes Aufwachen war wie ein Traum gewesen. Er trieb, schwebte auf dem Rücken, als wäre die Luft dick geworden und würde ihn nun ohne Mühe tragen. Er wußte nicht, ob er sich bewegen konnte oder nicht, denn er hatte nicht die Willenskraft, sich zu bewegen, nicht einmal die, irgendeinen Laut über die Lippen zu bringen. Und wenn er die Augen öffnete, sah er einen weiblichen Alten, der ebenfalls schwebte und langsam in sein Blickfeld und wieder hinaus trieb. Und über ihm der Himmel, von einer neutralen Farbe, als hätten die Wolken sich noch nicht entschieden, ob sie stürmisch oder freundlich werden wollten. Und es traten schwache Brisen auf, die aus keiner besonderen Richtung kamen — vielleicht sogar von unten. Nichts roch lebendig, von seinem schwachen Schweiß und dem muffigeren Geruch des Alten einmal abgesehen.
Dann trieb er wieder davon, nicht in den Schlaf, aber ins Vergessen.
Ist das der Tod? Bringen die Alten uns zum Himmelsgott? Ist er ein Leben in einer Wolke?
Aber dann, vielleicht, als er zum dritten oder fünftenmal erwachte — er war nicht sicher, wie viele verschiedene Erinnerungen bereits wieder verloren waren —, wurde ihm klar, daß er sich im Turm der Alten befinden mußte und der Himmel kein Himmel war, sondern ein Dach. Befand er sich in einem Tunnel, wie die Teufel sie schufen, nur daß er sich über der Erde befand? Oder war es ein Schutznest, wie die Strohgeflechte, die das Volk über den Nestern errichtete und in denen die Kleinkinder sich zuerst an das Fell ihrer Mutter und dann die Zweige unter dem Nest klammerten?
Sind die Alten wie wir oder wie die Teufel?
Wie die Teufel, weil der Alte in seiner schrecklichen Wut pTo ergriffen, zerrissen und einfach liegen gelassen hat.
Wie das Volk, weil die Alten ihn behutsam auf das strohähnliche Leder gelegt haben, das sie willentlich über ihre Körper streifen und wieder ablegen konnten. Wie das Volk, weil sie ihn den Hügel hinabgetragen hatten, bevor er gnädigerweise das Bewußtsein verlor. Wie das Volk, weil er noch lebte und nicht verzehrt oder zerfetzt worden war, nicht einmal gefangengehalten wurde.
Oder eine dritte Möglichkeit. Vielleicht waren sie wie die Götter. Schließlich hatte er keine Schmerzen.
Dann aber kam ein Tag, an dem er Schmerzen hatte, doch mit dem Schmerz erwachte er zum erstenmal vollständig. Er trieb nicht mehr. Und nun konnte er seine Glieder, seine Finger spüren und sie bewegen. Einige davon. Ein großes Gewicht drückte auf die Knochen, die gebrochen waren. Er drehte den Kopf — ja, er konnte den Kopf drehen, und er konnte den Rücken soweit bewegen, daß er sah, daß irgend etwas um seine gebrochenen Knochen gewickelt worden war, das sie schiente wie den Pfropf eines Baumastes. Die Schienen waren so schwer, daß er sie nicht bewegen konnte. Als er es versuchte, wurde der dumpfe, unterschwellige Schmerz lediglich scharf.
Warum hatten sie den Schmerz zurückkehren lassen? Ist dies ein Vorspiel des Todes? Hat man ein Urteil über mich gefällt und mich für unwürdig befunden? Oder haben sie sich entschlossen, mich ins Leben zurückkehren zu lassen? Damit ich mein Ander-Ich wiedersehen kann? Meine Frau? Mein Volk?
Ein pfeifendes, heulendes Geräusch — ah, ja, die Sprache der Alten. Es lag eine gewisse Musik darin, aber sie enthielt auch Teufelslaute, dieses Zischen und Summen.
Und dann ein anderes Geräusch. Sein Name, der klar und deutlich, mit Liebe und Besorgnis ausgesprochen wurde. »pTo«, sagte die Stimme, und er erkannte sie sofort, obwohl es eigentlich unmöglich war, daß er sie hörte.
»Poto«, antwortete er, und dann stand sein Ander-Ich mit einem Rascheln seiner lederartigen Schwingen auf derselben Oberfläche, auf der pTo lag, und schaute zu ihm hinab. »Ich habe dir gesagt, du sollst nicht zum Turm der Alten fliegen«, sagte pTo.
»Und jetzt bist du auch gekommen«, sagte Poto.
»Boboi wollte meine Schwingen zerreißen, um mich daran zu hindern«, sagte Poto. »Ich wäre beinahe geflohen, ohne das Urteil abzuwarten. Aber ich wollte, daß du in Ehren zurückkehren kannst, falls du überlebt hast. Also habe ich gewartet, und das Volk stand mir bei.
»Er war das schrecklichste Geschöpf, das ich je gesehen habe«, sagte pTo. »Bestimmt viel schrecklicher als die Teufel.« Poto schüttelte den Kopf. »Ich habe den Teufeln ins Gesicht geschaut, und auch diesen Alten.«
»Aber die Teufel, Poto, sie hassen uns nicht, sie wollen uns lediglich verzehren. Es gibt keinen Haß, der dem der Alten gleichkommt.«
»Sie haben mich zu dir geführt, zu meinem Ich, meinem wunderschönen Ich«, sagte Poto. »Sie haben gewußt, wer ich bin und was ich wollte, und sie haben mich zu dir geführt.«