»Unmöglich«, sagte Schedemei. »Und du vergißt, auch meine Kinder müssen in der neuen gesellschaftlichen Ordnung leben, die wir hier erschaffen. Wenn man darüber nachdenkt, kennzeichnet dieser Augenblick Elemaks Triumph über seinen Vater. Trotz des Eides, trotz seiner vielen Niederlagen ist es ihm endlich gelungen, alle Anstrengungen seines Vaters ungeschehen zu machen. Weil die anderen nicht die Herzenskälte haben, das Gesetz aufrechtzuerhalten und ihn zu töten, hat Elemak jetzt die Gesellschaft durchgesetzt, die er bevorzugt.«
»Das stimmt«, sagte Volemak. »Die anderen haben nicht die nötige Herzenskälte. Hast du sie?«
»Nein«, sagte Schedemei sofort. »Wie ich schon sagte, man kann keine andere Entscheidung treffen als die, die du getroffen hast, so katastrophal sie auch sein mag. Und jetzt soll Ojkib sich auf den Weg machen, während die anderen die Leichen zum Verbrennen vorbereiten. Was mich betrifft … ich muß die Schweinerei in diesem Raum beseitigen.«
Ojkib erhob sich. »Ich werde zum Berg gehen, aber mir gefällt es nicht, Chveja in einer Zeit wie dieser zurückzulassen.«
»Es wird schon nichts passieren«, murmelte Chveja.
»Die Sorgen, die ich mir mache, haben nichts mit Elemak und Mebbekew und Ehebruch und so weiter zu tun«, sagte Ojkib.
»Ach. Und worüber machst
»Fusum hat gesehen, wie Vas starb.«
»Wir haben nie behauptet, unsterblich zu sein«, sagte Volemak.
Ojkib schüttelte den Kopf. »Fusum hat gesehen, wie Vas starb. Eines Tages werden wir alle der Meinung sein, daß es das schlimmste Ereignis des heutigen Tages war.«
Ojkib ging noch bei sich zu Hause vorbei, um etwas hartkrustiges Brot für die Reise einzupacken. Der Weg, der die Schlucht hinaufführte, war jetzt ein Pfad und wurde immer mehr zu einer Straße, da sie das Unterholz wegschnitten und mit Hacken und Spaten die schlimmsten Stellen glätteten. Daher waren es nur zwei Stunden bis zum Sattel am Ende der Schlucht und dann eine weitere durch den Wald zum Dorf.
Er hatte sich in den letzten paar Monaten verändert. Nafai und die anderen bemühten sich, den Engeln Wege aufzuzeigen, wie sie ihr Leben besser gestalten konnten. Während die Engel früher gewußt hatten, wo sich im Umkreis von zwanzig Kilometern um ihr Dorf alle nützlichen Pflanzen befanden, hatten sie nun genug Bäume gefällt, um ein Feld anzulegen, auf dem Yamswurzeln und Manioksträucher, Melonen und Mais im offenen Sonnenschein gedeihen konnten. Während die Engel früher Schädlinge von ihren geschützten Pflanzen und Raubtiere von ihren Häusern ferngehalten hatten, indem sie an jedem Trampelpfad und Weg in ihrem Territorium Fallen aufstellten, hatten sie nun einen Zaun um ihre Felder gezogen, und ihre Truthähne und Ziegen wurden des Nachts in Pferche getrieben. Die Engel konnten bereits so viel Nahrung erzeugen, daß es für das Doppelte ihrer derzeitigen Bevölkerung gereicht hätte, und der Großteil des Überschusses konnte eingelagert werden.
Aber die landwirtschaftliche Revolution war nicht die einzige. Die Engel schienen den Menschen in jeder Hinsicht nacheifern zu wollen. Viele von ihnen hatten mittlerweile Häuser auf dem Erdboden errichtet, wie die Menschen es taten, obwohl sie gar nicht die Kraft hatten, sie so stabil wie nötig zu bauen, und der erste Sturm die Häuser einreißen würde. Das wußten sie auch, und bei schlechtem Wetter schliefen sie weiterhin, indem sie an den Ästen der Bäume hingen. Aber es war wichtig für sie, daß sie Häuser nach menschlicher Bauweise
Ojkib fand Njef und Huschidh, wie sie gerade mit dem Werkzeugmacher der Engel arbeiteten.
»Was ist los?« fragte Huschidh sofort. »Wer ist gestorben?«
»Woher weißt du es?« fragte Ojkib.
»Dein Gesicht«, sagte sie. »Dein Gesicht spricht zu uns.«
»Ist es Vater?« fragte Nafai. Und das war die wichtigste Frage — wenn Volemak tot war, würde sich alles ändern.
»Nein«, sagte Ojkib. »Vas hat Obring getötet — anscheinend als Rache dafür, was zwischen ihm und Sevet in Basilika war. Und als er Elemak für einen nicht ganz so lange zurückliegenden Betrug umbringen wollte, konnte Meb sich hinter ihn schleichen und ihn umbringen.«
»Elemak hat niemanden getötet?«
»Vielleicht hätte er es getan, aber er bekam nicht die Gelegenheit dazu«, sagte Ojkib. »Noch etwas. Fusum hat zugesehen, als Meb Vas getötet hat. Es passierte direkt vor seinen Augen. Mit einem Holzhammer, mit dem Meb Häute aufspannte.«
»Und wie hat Vas Obring getötet?«
»Die Axt in die Brust und dann in die Kehle«, sagte Ojkib.
»Spielt das jetzt noch eine Rolle?«
»Insofern, als daß die Wühler jetzt wissen, wie man uns töten kann«, sagte Nafai.
Ojkib lächelte grimmig. »Genau meine Gedanken.«
»Aber das ist nicht alles, was du uns sagen willst, nicht wahr?« fragte Huschidh.