»Zwischen deinen großen und meinen kleinen Kindern?« fragte Elemak. »Natürlich wird Friede herrschen, genau, wie zwischen dem Löwen und der Fliege Friede herrscht.«
Sie erreichten die Tür zu Volemaks und Rasas Raum in demselben Augenblick, als Obring mit Ojkib und Chveja dort eintraf. Wortlos umarmte Chveja ihren Vater, und er stützte sich auf sie, als sie den Raum betraten.
Nafai kniete nieder und leistete den Eid, hielt dabei die Hand seines Vaters. Chveja und Ojkib taten es ihm gleich.
»Dann ist es vollbracht«, sagte Volemak schwach von seinem Bett aus. »Alle haben den Eid geleistet. Gib uns wieder Sauerstoff und laß uns weiterschlafen.«
Schon nach ein paar Sekunden spürten sie alle den Unterschied. Sie konnten wieder tief durchatmen, und nach kurzer Zeit machte ihr Keuchen und Luftschnappen sie trunken vor Sauerstoff und schwach vor Luft. Dann paßten ihre Körper sich an; ihre Atmung wurde wieder normal. Es war, als wäre stets alles in Ordnung gewesen. Mütter weinten bei ihren Kindern, die jetzt wieder normal atmeten. Kinder lachten und jauchzten und tollten herum, nur weil ihnen endlich wieder normales Atmen möglich war.
Doch schon lange, bevor die zwei Stunden verstrichen waren, hatte das Lachen und Rufen wieder aufgehört. Die Eltern brachten ihre Kinder in die Schlafkammern. Dann schickten Zdorab und Schedemei alle Erwachsenen schlafen, außer Nafai, der sich von den anderen abgesondert hielt, um nicht unnötigerweise Elemak und die aufzubringen, die seine Niederlage bedauerten.
Erneut standen Nafai und Schedemei über der Kammer, in der Zdorab lag. »Vergib mir, Nafai«, sagte Zdorab.
»Das habe ich bereits«, sagte Nafai. »Luet hat mir erklärt, was du damals gedacht hast. Und wie sehr du es später bedauert hast.«
»Keine weiteren Überraschungen«, sagte Zdorab. »Ich stehe bis zu meinem Tod zu dir.«
»Dein Eid gilt meinem Vater«, sagte Nafai. »Aber ich freue mich über deine Freundschaft, und du kannst dir auch der meinen sicher sein.«
Als Nafai mit Schedemei allein war, konnte er endlich die aufgescheuerten Stellen an seinen Hand- und Fußgelenken heilen. »Wer hätte das gedacht«, sagte er.
»Was?« fragte sie.
»Daß Zdorabs Fehler etwas bewirkt hat, das andernfalls unmöglich gewesen wäre.«
»Und was ist das?«
»Ich habe damit gerechnet, daß Elemak außer Kontrolle geraten und einen Krieg anzetteln wird, sobald wir die Erde erreicht haben. Ich glaube, auch die Überseele hat das erwartet. Doch nun haben wir den Krieg bereits gehabt, und ich glaube, der Friede wird halten.«
»Bis dein Vater stirbt«, sagte Schedemei nachdrücklich.
»Vater ist noch nicht alt«, sagte Nafai. »Diese Einigung verschafft uns Zeit. Wer weiß, was in den kommenden Jahren noch alles geschehen wird?«
»Ich möchte keinen Anteil daran haben«, sagte Schedemei.
»Diese Entscheidung kommt ein wenig spät«, sagte Nafai.
»Ich möchte an der Auseinandersetzung keinen Anteil haben«, wiederholte Schedemei. »An dem Kampf. Ich bin mitgekommen, mich um den Garten zu kümmern.« Sie lachte ein wenig spöttisch. »Um mit dem pflanzlichen und tierischen Leben auf der Erde herumzupfuschen. Das ist der Traum, den der Hüter mir geschickt hat. Es ist bei mir nicht wie bei den anderen. Ich bin nur die Gärtnerin.«
»Nur? Du wirst die wichtigste Person von uns allen sein.«
»Weißt du, ich habe dich auch belogen, Nafai. Als ich dir sagte, Vettern und Kusinen könnten ungefährdet heiraten. Genau wie Zdorab habe ich etwas verschwiegen.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Nafai. »Jeder verschweigt etwas, ob er es nun weiß oder nicht.«
»Aber eure Kinder … die Konsequenzen könnten schrecklich sein.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Nafai.
»Ach.« Schedemei verzog das Gesicht. »Also hat die Überseele mir gesagt, was ich sagen soll?«
»Es vorgeschlagen. Jedes einzelne Wort war die Wahrheit.«
Schedemei lachte sarkastisch. »Oder zumindest so wahr wie jedes
»Ich vertraue ihr«, sagte Nafai.
»Du vertraust darauf, daß sie alles sagt, was nötig ist, um ihr Ziel zu erreichen«, sagte Schedemei. »Darüber hinaus kann man ihr nicht vertrauen.«
»Ach, weißt du, Schedja, die Ziele der Überseele sind auch
Sie tätschelte seine Wange. »Da du während der Reise ständig wach warst, magst du rein formal jetzt etwa so alt sein wie ich. Aber ich muß sagen, Njef, du hast noch viel zu lernen.«
Mit diesen Worten schwang sie sich in ihre Kammer. Nafai hob das Seitenstück, verschloß es und leitete dann den Tiefschlafprozeß ein. Der Deckel klappte zu. Er beobachtete, wie sie in dem luftdichten Abteil einschlief. Er war wieder allein.
›Ich kann den Sauerstoffgehalt nur noch fünfzehn Minuten auf dieser Höhe halten, dann ist der Vorrat aufgebraucht.‹
Ich beeile mich.
›Alles hat ziemlich gut geklappt, meinst du nicht auch?‹
Weißt du was? Sprich in der nächsten Zeit einfach nicht mehr mit mir. Laß mich mit meinen eigenen Gedanken in meinem Kopf einschlafen.
›Wie du willst. Aber das wird dir ziemlich seltsam vorkommen.‹
Damit werde ich schon fertig.