»Ich glaube, sie sind in der Überzahl«, sagte Issib.
»Sie sind häßlich«, sagte Sevets Sohn Umene. »Ihre Haut ist rosa und haarlos.«
»Daß sie häßlich sind, ist unser kleinstes Problem«, sagte Volemak.
»Hat jemand eine Ahnung, wer ihr Anführer ist?« fragte Nafai.
»Ist Chveja nicht mit uns gekommen?« fragte Ojkib.
Chveja musterte die Wühler bereits. Dann runzelte sie die Stirn und zeigte auf einen. »Der da, der hinter den anderen.«
Augenblicklich zog Nafai sein Hemd über den Kopf und entblößte die Haut seiner Brust und des Rückens. Dabei leuchtete sie hell auf. Der Mantel des Herrn der Sterne, der normalerweise unsichtbar unter seiner Haut lebte, strahlte nun Licht aus, das aus Nafai einen Gott machte — zumindest in den Augen dieser Wühler. Sofort vernahm Ojkib eine Kakophonie von Gebeten und Flüchen. »Es funktioniert«, sagte er leise. »Ihre Schließmuskeln lockern sich. Nach dieser Nacht wird es hier einen Kreis mit besonders fruchtbarem Boden geben.«
Ein paar Knaben lachten, aber kein einziger Erwachsener.
Nafai trat vor und ging zu der Stelle, auf die Chveja gezeigt hatte. »Mit welchem dieser kleinen Ungeheuer will ich sprechen?« fragte er.
Chveja trat neben ihn, sorgsam darauf bedacht, seine leuchtende Haut nicht zu berühren. Nun konnte sie den Anführer ausfindig machen, einen kleinen, starken Wühler, der eine Kette aus kleinen Knochen um den Hals trug. »Der mit der Trophäenkette.«
Nafai hob eine Hand und zeigte auf den Wühler. Sein Finger leuchtete. Plötzlich sprang ein Funke von seiner Hand zum Anführer der Wühler. Die Trophäenkette war ihm keine große Hilfe — augenblicklich lag er zitternd auf dem Boden.
»Du hast ihn doch nicht getötet, oder?« fragte Chveja.
Ojkib konnte sie kaum verstehen. Der Tumult der entsetzten Gebete der Wühler übertönte fast alle anderen Wahrnehmungen in seinem Verstand. Doch selbst das Entsetzen dieser Wesen wurde von Zorn und Rachsucht durchdrungen. Sie fürchteten Nafai, aber sie haßten ihn auch und wollten ihn töten. »Wenn du glaubst, daß du dir Freunde geschaffen hast, irrst du dich«, murmelte Ojkib.
Nafai ignorierte ihre Kommentare. »Ojkib«, sagte er, »du mußt das Reden übernehmen. Ich habe genug damit zu tun, ein Gott zu sein. Sie dürfen nicht merken, daß es mir Mühe macht, mit ihnen zu kommunizieren. Außerdem kannst du als einziger darauf hoffen, ihre Antworten zu verstehen.«
Ojkib war erstaunt. »Wie kann ich mit ihnen sprechen? Ihre Sprache ist mir nicht geläufig.«
»Du hast doch etwas von der Sprache der Engel aufgeschnappt, oder? Die Überseele hat es mir gesagt.«
»Aber
»Du wirst sie jetzt hören«, sagte Nafai.
Also ist die Überseele sich doch meiner bewußt und weiß, wozu ich imstande bin, dachte Ojkib. Es war die erste Bestätigung dafür, die er je erhalten hatte. Aber wußte die Überseele auch, was alles er
Er trat vor und ging zu dem Anführer der Wühler, dem man gerade wieder auf die Füße half. »Das Baby«, sagte Ojkib. Er griff auf die Zeichensprache zurück und wiegte in einer Pantomime ein Kleinkind in den Armen. Die Wühler hatten die Menschen lange genug beobachtet, um zu wissen, was die Geste bedeutete.
Der Wühlerkönig plapperte irgend etwas. Ojkib war überrascht, als er die Sprache hörte. Sie war das genaue Gegenteil der Engelsprache — lediglich Zisch-, Reibe- und Nasallaute mit einem gewissen Beiklang, dem allerdings nichts Musikalisches innewohnte, sondern ein Fauchen und Summen. Klingt es in meinen Ohren lediglich wie eine böse und schleimige Sprache, weil ich ihre Gebete und Begierden kenne? fragte Ojkib sich.
Als der Wühlerkönig mit seiner Gefolgschaft sprach, verstand Ojkib natürlich nichts. Nach einem Augenblick zerrten die Wühler vier ihrer Soldaten vor und warfen sie vor Nafais Füßen auf den Boden. Nun bekam Ojkib einen klaren Eindruck von dem Entsetzen, dem Fluchen und den Gebeten der vier Wühler. »Das sind diejenigen, die Zhivja geraubt haben«, sagte er. »Ich glaube, sie liefern sie an dich aus, damit du sie bestrafen kannst.«
Nafai lehnte das Angebot augenblicklich ab. »Sag ihnen, daß ich keine Rache will, sondern das Baby.«
»Ach, und wie soll ich das mit der Zeichensprache tun?« fragte Ojkib. Aber er versuchte es trotzdem, wiederholte das Symbol für das Kleinkind und bedeutete dann, daß man die vier Krieger fortbringen sollte.
Doch die Wühler waren offenbar der Ansicht, daß die Geste etwas völlig anderes bedeutete. Auf einen Wink des Königs traten vier andere Krieger vor und drückten die Klingen ihrer Speere gegen die Kehlen der vier Entführer. »Nein!« rief Ojkib und hörte gleichzeitig Chvejas Stimme. Nafai fuhr herum und warf mit einer einzigen Geste seines funkelnden Arms alle vier Wühler zu Boden. Dann schien er völlig durchzudrehen. Er deutete nacheinander auf einige Bäume, bis ihre Äste in Flammen aufgingen.
»Es ist zu naß, um einen richtigen Brand zu entfachen«, murmelte Ojkib.
»Darauf zähle ich«, sagte Nafai. »Glaubst du etwa, ich will unser Dorf abbrennen?«