Doch soweit es die Wühler betraf, war dies der Zorn der Götter, und ihr Wald war dem Untergang geweiht. Der König stürmte vor und warf sich zu Nafais Füßen auf den Bauch. Dann drehte er sich auf den Rücken und spreizte die Arme und Beine, so daß sein nackter Leib völlig ungeschützt war.
Ojkibs Verstand wurde mit Gebeten angefüllt, und da der Wühlerkönig sich nun in seiner unmittelbaren Nähe befand und Ojkib einen Teil der Zusammenhänge erkannte, verstand er jetzt mehr von dem, was der König sagte. »Er bittet den Gott — dich —, ihn zu töten und sein Volk zu verschonen.«
»Also ist er ein würdiger König«, bemerkte Nafai. »Sag ihm, daß ich das Baby will, sonst nichts. Aber zuerst werde ich sein Angebot achten.« Nafai trat einen Schritt vor und stellte sich mit gespreizten Beinen über den auf dem Rücken liegenden König. Dann bückte er sich und berührte die Brust des Königs mit der Axtklinge. »Was hältst du davon?« fragte Nafai. »Das sind gewalttätige Leute, nicht wahr? Hilf mir, ich bin gerade dabei, ein Ritual zu begründen.«
»Kein Blut«, sagte Ojkib. »Das wäre nicht richtig. Der andere König führt die Blutrituale durch.«
»Der andere König?« fragte Nafai.
Chveja war zuerst erschrocken, bestätigte es dann aber. »Einem anderen bringen sie genauso viel Ergebenheit entgegen wie diesem.« Dann runzelte sie die Stirn. »Aber da ist noch jemand. Jemand, dem sogar der König Untertanentreue entgegenbringt. Jemand unter der Erde.«
»Kein Blut«, sagte Nafai. »Was soll ich also tun?«
»Gib ihm die Axt«, sagte Ojkib. »Das wünscht er sich am sehnlichsten, obwohl er kaum zu hoffen wagt. Er wird dir seinen Speer und seine Knochenkette geben.«
Nafai ließ den Griff der Axt aus seiner Hand gleiten.
»Nein!« rief Protschnu hinter ihnen. »Gib niemals deine Waffe aus der Hand! Niemals!«
»Halt den Mund, Proja«, sagte Volemak nachsichtig.
Der Wühlerkönig schlang eine Hand um den Stil der Axt, rollte sich dann auf den Bauch und erhob sich. Er konnte die Axt zwar heben, doch der Griff war nicht für seine Hand geschaffen. Er bekam den Kopf der Axt in die Höhe, während er das andere Ende hielt. Man mußte nicht befürchten, daß er die Axt als Waffe benutzte.
Der König bückte sich, hob seinen Speer auf und bot ihn Nafai an.
»Was hat es zu bedeuten, wenn ich ihn nehme?« fragte Nafai.
»Ich weiß es nicht«, sagte Ojkib. »Mir steht leider kein Wörterbuch mit erklärenden Fußnoten zur Verfügung.«
Nafai nahm den Speer. Der König hob nun die Knochenkette über den Kopf und hielt sie Nafai hin. Nafai zögerte. »Mir gefallen die Knochen nicht, aus denen dieses Ding besteht«, sagte er.
»Mir auch nicht«, sagte Ojkib. »Ich glaube, es ist an der Zeit, noch einmal Zhivja zu verlangen.«
»Und warum glaubst du das?«
»Weil mir nicht gefällt, wie er darum betet, daß du die Kette nimmst. Er will wirklich, daß du sie nimmst, aber nicht, weil er dich mag, glaube ich.«
»Na schön«, sagte Nafai. »Sag ihm, daß ich das Baby haben will.«
Ojkib trat zwischen Nafai und den König und verhinderte damit die Übergabe der Kette. Der König schaukelte auf seinen Hinterbacken hin und her und schien … ja, was? War es Zorn? Zumindest kam es Ojkib so vor. Er machte die Kind-Pantomime und rief — nein, schrie — dem König dann ins Gesicht: »Bring uns Zhivja, oder wir werden jeden einzelnen von euch häßlichen nackten rosahäutigen Mistkerlen töten!«
»Da sie dich sowieso nicht verstehen«, sagte Chveja, »könntest du ruhig Ausdrücke benutzen, die wir den Kindern hinterher nicht erklären müssen.«
»Er versucht, Zorn darzustellen«, sagte Nafai. »Funktioniert es?«
»O ja, es funktioniert. Ihr beide bekommt eine immer bessere Kontrolle über die Situation. Aber sie mögen euch noch immer nicht.«
»Das bricht mir das Herz«, sagte Nafai.
»Zerbrich den Speer«, sagte Ojkib.
»Was?« fragte Nafai.
»Davor hat er Angst. Er steht vor dir, hält die Axt fest und hat Angst, daß du den Speer zerbrichst.«
Nafai zerbrach den Stiel des Speers über seinen Knien. Das Krachen des brechenden Holzes schallte durch die Luft.
Sofort nahm der Wühlerkönig die Axt in beide Hände und versuchte, den Griff zu zerbrechen. Es gelang ihm nicht. Er war zu dick und hart.
»Tue noch etwas, das er nicht kann«, sagte Ojkib. »Er muß zweimal versagen.«
Nafai bückte sich und hob den Teil des Speers mit der Spitze daran auf. Die Spitze wie ein Messer benutzend, schnitt er schnell und tief über seinen Bauch. Augenblicklich spritzte Blut auf das Gesicht des Wühlerkönigs, und Ojkib sah für einen Augenblick zu seinem Entsetzen, daß Nafai die Muskeln durchtrennt und seine Eingeweide freigelegt hatte. Doch dann heilte der Mantel des Herrn der Sterne die Wunde, und sie schloß sich unter den Blicken der Wühler, ohne daß eine Narbe zurückblieb.
Der Wühlerkönig nahm das Kopfende der Axt in die Hände, als wolle er sich ebenfalls den Bauch aufschneiden.
»Ich will nicht, daß er sich tötet«, sagte Nafai. »Es steht nicht in meiner Macht, ihn zu heilen.«