»Schlag ihn nieder«, sagte Ojkib. »Sie sind entsetzt, weil du zögerst.«
»Ich will lediglich Zhivja zurückbekommen«, sagte Nafai. »Ich will hier keine Leichen.«
Volemak trat vor und baute sich neben Nafai auf. »Verbeuge dich vor mir«, sagte er. »Oder was auch immer in ihrer Kultur als Verbeugung durchgeht.«
»Dann knie auf alle viere nieder und küsse Vaters Bauch«, sagte Ojkib.
»Du machst Witze«, sagte Nafai. »So hat der Kriegskönig
»Der Kriegskönig hat sich als unwürdiges Opfer angeboten. Du ehrst Vater als deinen König und Vater.«
»Mach schon«, sagte Volemak. »Sie müssen nicht wissen, daß ich nicht die Macht des Mantels habe. Sie müssen sehen, daß auch du von jemandem Anweisungen entgegennimmst. Das wird in ihnen den Eindruck wecken, daß sie, unsere Macht noch nicht vollends erkannt haben, so mächtig du auch bist.«
Nafai ließ sich auf alle viere fallen. Doch aus dieser Stellung konnte er den Bauch seines Vaters nicht küssen. Er stieß sich mit den Händen hoch und drückte dann sein Gesicht gegen Volemaks Hemd.
Augenblicklich erklang unter den Wühlern Gemurmel.
»Kannst du noch heller leuchten, als es schon der Fall ist?« fragte Volemak.
»Ja«, sagte Nafai.
»Na schön. Wenn ich deinen Kopf berühre, strahlst du, so hell du kannst.«
Volemak griff mit einer prunkvollen Geste hinab und berührte Nafais Kopf. Im gleichen Augenblick schien Nafai vor Licht zu explodieren. Selbst die Menschen schnappten nach Luft, und die Wühler schrien entsetzt auf.
»Gut gemacht«, sagte Volemak. »Wir müssen unsere Macht eindrucksvoll unter Beweis stellen. Jetzt schlage diesen stolzen kleinen Welpen nieder. Töte ihn nicht, mache ihn einfach ohnmächtig wie die anderen.«
Der noch immer leuchtende Nafai erhob sich, streckte die Hand aus und zeigte auf Fusum.
Der Sohn des Blutkönigs duckte sich nicht; er zuckte nicht einmal zusammen. Er starrte Nafai einfach nur trotzig ins Gesicht. Dann zischte die Luft zwischen ihnen, seine Glieder wurden starr, und er stürzte wie ein gefällter Baum. Zuckend lag er da.
»Du hast einen natürlichen Sinn für theatralische Effekte«, sagte Volemak. »Jetzt sag Ojkib, er soll auf alle neun dieser müden kleinen Wühler zeigen und sie zum Schiff tragen lassen.«
»Zum Schiff?« fragte Nafai.
»Sie dürfen nicht mitbekommen, daß wir diskutieren«, sagte Volemak scharf. »Tu es einfach. Geiseln. Und Schedemei kann sie unter Medikamente setzen oder sogar in den Tiefschlaf versetzen, während sie ein paar ungefährliche Studien an ihnen vornimmt. Vertraue mir, Nafai.«
»Ich vertraue dir, Vater. Verzeih, daß ich gezögert habe.« Er wandte sich an Ojkib und erklärte ihm mit vielen Worten, genauso vorzugehen, wie Volemak befohlen hatte.
Zuerst kam es Nafai absurd vor, genau die Worte zu wiederholen, die sie alle gerade von Vater gehört hatten. Doch als Nafai gehorchte, kam ihm dieses Vorgehen wie ein Ritual vor. Es war der Ausdruck von Macht. Der König. Der Sohn des Königs. Der Diener des Sohns. Die Wühler mußten die Vorführung mitbekommen. Doch auch die anderen Menschen, besonders die Knaben. Besonders Protschnu. Das ist Macht und Autorität, Proja, dachte Ojkib. So sollte es funktionieren, und deshalb ist dein Vater ein solcher Versager — weil Elemak niemals akzeptieren könnte, daß jemand über ihm steht. Diejenigen, die sich nicht beherrschen
Als Nafai also mit seinem Vortrag fertig war, machte Ojkib ein großes Aufhebens darum, auf jeden der bewußtlosen Wühler zu zeigen und anzuordnen, daß andere Wühler sie aufheben und zum Schiff tragen sollten.
Die Königin schien den Tanz zu verstehen, den sie aufführten. Sie sprach ihrerseits scharfe Worte zu ihrem Mann, dem Kriegskönig, und dann wandte er sich wiederum an die Soldaten, die in den Bäumen warteten. Kurz darauf versammelten sie sich in Vierergruppen um die Bewußtlosen und hoben sie hoch.
In diesem Augenblick erklangen andere laute Stimmen aus den Wäldern. Emeezem rief eine Antwort, und vier weibliche Wühler tauchten wie aus dem Erdboden auf. Jede hielt den Zipfel einer Decke, und mitten darauf lag die lachende Zhivja. Anscheinend gefiel ihr es, getragen zu werden.
»Schnell«, sagte Volemak. »Protschnu, lauf ins Dorf zurück und hol Eiadh. Bring sie hierher!« Und an Nafai gewandt: »Greif nicht nach dem Baby. Sie sollen warten. Sie werden Zhivja ihrer Mutter überreichen.«
Schweigend blieben sie stehen. Es kam ihnen wie eine Ewigkeit vor, obwohl es kaum länger als fünf Minuten gedauert haben konnte. Schließlich kehrte Protschnu zurück, mit Eiadh an der Hand, die vor Freude aufschrie, als sie das Baby sah. Sie lief zu den vier weiblichen Wühlern und bückte sich, um Zhivja von der Decke zu heben. »Zhivoja, meine Schöne, meine Lachende«, sang sie und lachte und weinte und drehte sich im Kreis herum.