Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Nun trieb mich ein Bedürfnis zu ihm, ich begann unter der Veränderung meiner Beziehung zu Gertrud, unter Überarbeitung und Wintermüdigkeit zu leiden und suchte ihn auf, um wieder einmal zu plaudern. Er setzte mir einen Sherry vor und erzählte von der Bühne, war übrigens müde und zerstreut und merkwürdig milde. Ich hörte zu, schaute im Zimmer umher und wollte eben fragen, ob er wieder bei Imthors gewesen sei. Da sah ich, bei einem gleichgültigen Blick über den Tisch, ein Kuvert mit Gertruds Handschrift liegen. Noch ehe ich darüber nachdenken konnte, stieg schon Schrecken und Bitterkeit in mir auf. Es konnte ja eine Einladung, eine einfache Höflichkeit sein, doch glaubte ich daran nicht, so gern ich es auch getan hätte.

Es gelang mir, ruhig zu bleiben, und bald ging ich fort. Und wider meinen Willen wusste ich alles schon. Es konnte eine Einladung, eine Kleinigkeit, ein Zufall sein – ich wusste aber, dass es das nicht war. Ich sah auf einmal alles und begriff alles, was in der letzten Zeit gewesen und geschehen war. Wohl nahm ich mir vor, zu prüfen und zu warten, doch waren alle diese Gedanken nur Vorwände und Ausflüchte, im Grunde saß der Pfeil und schwärte im Blut, und als ich nach Hause kam und in meiner Stube saß, wich langsam die Betrübung einer furchtbaren Klarheit, die mich eisig durchfloss und mir zu fühlen gab, dass nun mein Leben zerstört und mein Glauben und Hoffen vernichtet war.

Mehrere Tage kam ich weder zu Tränen noch zu Schmerzen. Ohne viel zu denken, hatte ich beschlossen, nicht weiterzuleben. Vielmehr hatte der Lebenswille in mir sich niedergelegt und schien verschwunden. Ich bedachte das Sterben wie ein Geschäft, das unweigerlich getan werden muss und bei dem man sich nicht besinnt, ob es angenehm ist oder nicht.

Zu den Dingen, die ich zuvor besorgen musste und besorgte, gehörte vor allem ein Besuch bei Gertrud, um – gewissermaßen der Ordnung wegen – die für mein Gefühl entbehrliche Bestätigung zu holen. Ich hätte sie von Muoth haben können; aber obwohl er weniger schuld schien als Gertrud, brachte ich es nicht über mich, zu ihm zu gehen. Ich ging zu Gertrud, traf sie nicht, kam anderen Tages wieder und unterhielt mich ein paar Minuten mit ihr und ihrem Vater, bis dieser uns allein ließ, da er glaubte, wir wollten musizieren.

Nun stand sie mir allein gegenüber, und ich sah sie neugierig noch einmal an, die leicht verwandelt, doch nicht minder schön als jemals war.

»Verzeihen Sie mir, Gertrud«, sagte ich fest, »dass ich Sie noch einmal quälen muss. Ich habe Ihnen im Sommer einen Brief geschrieben – kann ich auf den jetzt Antwort haben? Ich muss verreisen, vielleicht für lange, sonst hätte ich gewartet, bis Sie selber…«

Da sie bleich wurde und mich verwundert ansah, half ich ihr und sprach weiter: »Nicht wahr, Sie müssen nein sagen? Ich habe es mir gedacht. Ich möchte nur Gewissheit haben.«

Sie nickte traurig.

»Ist es Heinrich?« fragte ich.

Und sie nickte wieder, und plötzlich erschrak sie und fasste meine Hand.

»Verzeihen Sie mir! Und tun Sie ihm nichts!«

»Das habe ich nicht im Sinn, seien Sie ruhig«, sagte ich und musste lächeln, denn mir fiel die Marion ein und die Lotte, die auch so ängstlich an ihm hingen und die er geschlagen hatte. Vielleicht würde er auch Gertrud schlagen und ihre ganze herrliche Hoheit und ihr ganzes vertrauensvolles Wesen zerstören.

»Gertrud«, fing ich noch einmal an, »besinnen Sie sich noch! Nicht meinetwegen, ich weiß schon, wie es steht! Aber Muoth wird Sie nicht glücklich machen. Adieu, Gertrud.«

Meine Kälte und Klarheit war unerschüttert geblieben. Erst jetzt, als Gertrud mich so anredete und jenen Ton hatte, den ich von Lotte her kannte, und als sie mich nun ganz krank ansah und sagte: »Gehen Sie nicht so, das verdiene ich nicht von Ihnen!« da brach mir das Herz, und ich hatte Mühe, mich zu halten.

Ich gab ihr die Hand und sagte: »Ich will Ihnen nicht wehtun. Ich will auch Heinrich nicht schaden. Aber warten Sie noch, lassen Sie ihm noch nicht Gewalt über sich! Er zerstört alle, die er liebhat.«

Sie schüttelte den Kopf und ließ meine Hand los. »Adieu!« sagte sie leise. »Ich bin ja nicht schuld.

Denken Sie gut an mich und auch an Heinrich!«

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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