Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Die Sopranrolle hatte ich noch nicht singen hören. Nun war es mir merkwürdig und wehmütig, sie zum erstenmal von einer fremden Stimme zu vernehmen. Die Sängerin machte es gut, und ich sagte ihr sogleich meinen Dank, aber im Herzen dachte ich an die Nachmittage, da Gertrud diese Worte gesungen hatte, und hatte ein Gefühl uneingestandenen traurigen Missbehagens, wie wenn man ein liebes Besitztum weggegeben hat und nun zum erstenmal in fremden Händen sieht.

Gertrud sah ich in diesen Tagen wenig, sie beobachtete mein Fieber lächelnd und ließ mich in Ruhe. Ich hatte mit den Teisers einen Besuch bei ihr gemacht, da hatte sie Brigitte, die zu der schönen, vornehmen Frau bewundernd aufsah, mit heiterer Zärtlichkeit aufgenommen. Seither schwärmte das Mädchen für die schöne Frau und sang ihr Lob, in das auch der Bruder einstimmte.

An die beiden Tage vor der Aufführung kann ich mich nicht mehr genau erinnern, es war alles in mir durcheinandergeraten. Dazu kamen andere Aufregungen, ein Sänger wurde heiser, ein anderer war beleidigt, keine größere Rolle zu haben, und benahm sich bei den letzten Proben sehr übel, der Dirigent wurde immer gemessener und kälter, je mehr ich noch zu sagen hatte, Muoth stand mir gelegentlich bei, lächelte seelenruhig zu dem Tumult und war mir in dieser Lage mehr wert als der gute Teiser, der wie ein Feuerteufel hin und wider fuhr und überall zu mäkeln hatte. Brigitte sah mich ehrfurchtsvoll, doch auch mit einigem Bedauern an, wenn wir in ruhigen Stunden gedrückt und ziemlich schweigsam im Hotel beisammen saßen.

Nun, die Tage vergingen, und es kam der Abend der Aufführung. Während sich das Haus füllte, stand ich hinter der Bühne, ohne doch mehr das Geringste tun oder raten zu können. Schließlich hielt ich mich zu Muoth, der schon im Kostüm war und in einem Stübchen oder Winkel abseits des Lärmes langsam eine halbe Flasche Champagner leerte.

»Willst du ein Glas?« fragte er teilnehmend.

»Nein«, sagte ich. »Regt dich denn das nicht auf?«

»Was? Der Spektakel draußen? Das ist immer so.«

»Ich meine den Sekt.«

»O nein, der macht mich ruhig. Ein Glas oder zwei nehme ich immer, wenn ich etwas leisten will. Aber jetzt geh, es wird Zeit.«

Ich wurde von einem Diener in die Loge gebracht, wo ich schon Gertrud und beide Teisers sowie einen hohen Herrn von der Theaterleitung antraf, der lächelnd grüßte.

Gleich darauf hörten wir das zweite Glockenzeichen, Gertrud schaute mich freundlich an und nickte mir zu. Teiser, der hinter mir saß, ergriff meinen Arm und kniff mich verzweifelt. Das Haus wurde dunkel, und aus der Tiefe stieg feierlich meine Ouvertüre zu mir herauf. Jetzt wurde ich ruhiger.

Und jetzt erhob sich und erklang vor mir wohlbekannt und doch fremd mein Werk, das meiner nimmer bedurfte und sein eigenes Leben hatte. Lust und Mühe der vergangenen Tage, Hoffnungen und schlaflose Nächte, Leidenschafft und Sehnsucht jener Zeit standen losgelöst und verkleidet mir gegenüber, die Erregungen heimlicher Stunden klangen frei und werbend in das Haus an tausend fremde Herzen. Muoth kam und hob mit geschonter Kraft an, wuchs und gab sich her und sang mit seiner dunklen, unwilligen Glut, und die Sängerin gab Antwort in hohen, schwebenden, lichten Tönen. Da kam eine Stelle, die hatte ich noch genau so im Ohr, wie ich sie von Gertrud einmal gehört hatte, und sie war eine Huldigung für sie und ein leises Bekenntnis meiner Liebe gewesen. Ich wandte den Blick und sah ihr in die stillen, reinen Augen, die mich verstanden und freundlich grüßten, und in einem Augenblick fühlte ich den ganzen Sinn meiner Jugend wie den feinen Duft einer reifen Frucht mich berühren.

Von da an war ich ruhig und sah und hörte zu wie ein Gast. Beifall klang herauf, die Sänger und Sängerinnen erschienen am Vorhang und verneigten sich, Muoth wurde häufig gerufen und lächelte kühl ins erleuchtete Haus hinab. Man drang auch in mich, dass ich mich zeigen solle; doch war ich allzu benommen und hatte auch keine Lust, aus meiner angenehmen Verborgenheit hervorzuhinken.

Teiser hingegen lachte wie eine Morgensonne, umarmte mich und schüttelte auch dem hohen Herrn von der Theaterleitung unverlangt beide Hände.

Das Bankett war bereit und hätte uns auch nach einem Misserfolg erwartet. Wir fuhren in Wagen hin, Gertrud mit ihrem Mann, ich mit den Teisers. Auf der kurzen Fahrt begann Brigitte, die noch kein Wort gesagt hatte, plötzlich zu weinen. Sie wehrte sich anfangs und wollte widerstehen, hielt aber dann die Hände vors Gesicht und ließ die Tränen laufen. Ich mochte nichts sagen und war verwundert, dass Teiser gleichfalls schwieg und keine Frage an sie tat. Er legte nur den Arm um sie und brummte wohlwollend und tröstend, wie man ein Kind beruhigt.

Als nachher das Händeschütteln und die Glückwünsche und Trinksprüche kamen, blinzte Muoth mich sarkastisch an. Man fragte angelegentlich nach meiner nächsten Arbeit und war enttäuscht, als ich sagte, es sei ein Oratorium. Dann stieß man auf meine nächste Oper an, die aber bis heute nicht geschrieben ist.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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