Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Nun traf ihn Imthors Brief als eine schwere Enttäuschung. Er schrieb sogleich leidenschafftlich zurück, voll Argwohn gegen den Schwiegervater. Er glaubte, dieser habe gegen ihn gearbeitet, da er die Trennung der Ehe wünsche, und verlangte eine sofortige Zusammenkunft mit Gertrud, auf deren Wiedergewinnung er sicher hoffte. Der Alte kam mit dem Briefe zu mir, und wir überlegten lange, was zu tun sei. Es schien uns beiden richtig, dass eine Zusammenkunft der Gatten im Augenblick vermieden werde, da Gertrud offenbar jetzt keine Stürme ertragen konnte. Imthor war voll Besorgnis und bat mich, selber zu Muoth zu reisen und ihm zuzureden, er möge Gertrud für eine Weile in Ruhe lassen. Ich weiß jetzt, dass ich das hätte tun sollen. Damals hatte ich Bedenken und hielt es für gefährlich, meinen Freund wissen zu lassen, dass ich der Vertraute seines Schwiegervaters und mit Dingen seines Lebens bekannt sei, in die er mich nicht selber hatte einweihen wollen. Ich weigerte mich denn, und es blieb bei einem Brief des Alten, der natürlich nichts besserte.

Vielmehr kam Muoth, ohne sich anzumelden, selber hergereist und erschreckte uns alle durch die kaum gezügelte Leidenschafft seiner Liebe und seines Argwohns. Gertrud, die von dem kurzen Briefwechsel nichts wusste, war von dem Besuch des noch nicht Erwarteten und von seiner fast zornigen Erregung völlig überrascht und benommen. Es gab einen peinlichen Auftritt, von dem ich wenig erfahren konnte. Ich weiß nur: Muoth drang in Gertrud, sie möge mit ihm nach München zurückkehren. Sie erklärte sich bereit zu folgen, wenn es nicht anders sein könne, bat aber, sich noch länger bei ihrem Vater zu lassen, sie sei müde und brauche noch Ruhe. Nun warf er ihr vor, sie wolle sich ihm entziehen und sei von ihrem Vater aufgestiftet, wurde bei ihren sanften Erklärungen noch misstrauischer und war in seinem Anfall von Zorn und Bitterkeit so töricht, ihr kurzerhand die Rückkehr zu ihm zu befehlen. Darauf empörte sich ihr Stolz, sie blieb ruhig, weigerte sich aber, ihn weiter anzuhören, und erklärte nun, auf alle Fälle hierzubleiben. Auf diese Szene war am nächsten Morgen eine Art Versöhnung gefolgt, und Muoth hatte, beschämt und reuig, nun alle ihre Wünsche gebilligt. Dann war er wieder abgereist, ohne bei mir vorgesprochen zu haben.

Als ich das hörte, erschrak ich und sah das Übel kommen, das ich von Anfang an gefürchtet hatte. Auf den hässlichen und törichten Auftritt hin, dachte ich mir, mochte es nun lange dauern, bis sie die Heiterkeit und den Mut zur Rückkehr wiederfinden würde. Und er war inzwischen in Gefahr, zu verwildern und ihr trotz aller Sehnsucht noch fremder zu werden. Er würde allein in dem Hause, in dem er eine Weile glücklich gewesen war, es nicht lange aushalten, er würde verzweifeln, trinken, vielleicht wieder andere Frauen nehmen, die ihm ohnehin nachliefen.

Indessen blieb es still, er schrieb an Gertrud und bat nochmals um Verzeihung, sie gab ihm Antwort und mahnte voll Mitleid und Freundlichkeit zur Geduld. Ich sah sie um diese Zeit wenig. Zuweilen machte ich den Versuch, sie zum Singen zu bewegen, sie schüttelte aber stets den Kopf. Doch traf ich sie mehrmals am Flügel.

Es war mir merkwürdig und unheimlich, die schöne, stolze Frau, die ich immer voll Kraft und Heiterkeit und innerer Ruhe gesehen hatte, nun scheu und im Kern ihres Empfindens erschüttert zu finden. Manchmal kam sie zu meiner Mutter, fragte freundlich nach unserem Ergehen, saß neben der alten Frau eine kleine Weile auf dem grauen Diwan und versuchte zu plaudern und ich hörte mit brechendem Herzen zu und sah, wie sie Mühe hatte, ein Lächeln aufzubringen. Der Schein wurde aufrechterhalten, als wisse weder ich noch irgend jemand von ihrem Leid oder als hielten wir es nur für Nervosität und äußere Schwäche. So vermochte ich kaum ihr in die Augen zu blicken, in denen der uneingestandene Jammer, von dem ich nichts wissen wollte, so deutlich geschrieben stand. Und wir sprachen und lebten und gingen aneinander vorbei, als wäre alles wie immer, und schämten uns doch voreinander und wichen einander aus! Und mitten in dieser traurigen Wirrnis des Fühlens packte mich hie und da mit plötzlicher Fieberglut die Vorstellung, dass ihr Herz ihrem Manne nicht mehr gehöre und frei sei, und dass es nun an mir sei, sie nicht abermals verlorengehen zu lassen, sondern sie für mich zu gewinnen und vor allem Sturm und Leide an meinem Herzen zu bergen. Dann schloss ich mich ein, spielte die heiße werbende Musik meiner Oper, die ich plötzlich wieder liebte und verstand, lag glühende Nächte verlangend und dürstend und litt alle lächelnd überwundene Qual der Jugend und unerfüllbaren Begehrens noch einmal und nicht minder schwer als damals, da ich zuerst für sie gebrannt und ihr jenen einzigen, unvergessenen Kuss gegeben hatte. Der loderte mir wieder auf den Lippen und sengte die Ruhe und Entsagung von Jahren in Stunden zu Asche.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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