Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Es war ein schlechter, nasser und stürmischer Spätherbst, von München aus sah man zuweilen für eine Stunde die nahen Berge im jungen Schnee liegen, die Stadt war trüb und verregnet. Ich fuhr sogleich nach Muoths Hause. Da war alles wie vor einem Jahre, derselbe Diener, dieselben Räume, dieselbe Stellung der Möbel, nur sah alles unbewohnt und leer aus, auch fehlten die Blumen, für welche Gertrud sonst gesorgt hatte. Muoth war nicht da, der Diener führte mich in mein Zimmer und half mir auspacken; ich kleidete mich um und ging, da der Hausherr noch ausblieb, in das Musikzimmer hinab, wo ich hinter den Doppelfenstern die Bäume brausen hörte und Zeit hatte, an Vergangenes zu denken. Je länger ich saß und die Bilder anschaute und in Büchern herumblätterte, desto trauriger ward mir ums Herz, als sei diesem Hause nicht mehr zu helfen. Unwillig setzte ich mich an den Flügel, um die nutzlosen Gedanken loszuwerden, und ich spielte mein Hochzeitspräludium, als könnte ich damit das gewesene Gute zurückkaufen.

Endlich hörte ich rasche, schwere Tritte nebenan, und Heinrich Muoth kam herein. Er bot mir die Hand und sah mich ermüdet an.

»Verzeih«, sagte er, »ich hatte im Theater zu tun. Du weißt ja, ich singe heute abend. Wir wollen jetzt essen, nicht?«

Er ging voran, und ich fand ihn verändert, er war zerstreut und gleichgültig, sprach nur vom Theater und schien kein anderes Gespräch zu wünschen. Erst nach Tische, als wir schweigsam und beinahe verlegen in den gelben Rohrsesseln einander gegenüber saßen, fing er unerwartet an: »Das ist schön von dir, dass du gekommen bist! Ich will mich auch heute abend extra anstrengen.«

»Danke«, sagte ich. »Du siehst nicht gut aus.«

»Meinst du? Nun, wir wollen schon vergnügt sein. Ich bin ja Strohwitwer, weißt du.«

»Ja.« Er blickte zur Seite.

»Du weißt nichts von Gertrud?«

»Nichts Besonderes. Sie ist eben immer noch nervös und schläft nicht gut – «

»Ja, lassen wir’s! Sie ist ja bei euch in guten Händen.«

Er stand auf und ging durchs Zimmer. Es schien, als ob er noch etwas sagen wolle, er sah mich prüfend und, wie es mir vorkam, misstrauisch an.

Dann lachte er und ließ es ungesagt.

»Die Lotte ist auch wieder aufgetaucht«, begann er von neuem.

»Die Lotte?«

»Ja, die damals bei dir war und mich verklagt hat. Sie ist hier und verheiratet, und es scheint, sie interessiert sich noch für mich. Sie war da und hat einen richtigen Besuch gemacht.«

Er sah mich wieder listig an und lachte, als er mich erschrecken sah.

»Hast du sie empfangen?« fragte ich zögernd.

»Ah, du traust es mir zu! Nein, Werter[92], ich habe sie fortschicken lassen. Aber verzeih, ich rede dummes Zeug. Ich bin so verdammt müde, und abends muss ich singen. Wenn du erlaubst, lege ich mich drüben für eine Stunde hin und schlafe.«

»Gut, Heinrich, ruh dich aus, ich fahre ein wenig in die Stadt. Willst du mir einen Wagen kommen lassen?«

Ich mochte nicht wieder stumm in diesem Hause sitzen und dem Wind in den Bäumen zuhören. Ich fuhr in die Stadt, ohne Ziel, und geriet in die alte Pinakothek[93]. Dort schaute ich eine halbe Stunde lang bei dem trüben grauen Licht die alten Bilder an, dann wurde geschlossen, und ich wusste nichts Besseres, als in einem Café die Zeitungen zu lesen und durch die hohen Scheiben auf die verregnete Straße zu schauen. Ich nahm mir vor, um jeden Preis diese Kühle zu durchbrechen und aufrichtig mit Heinrich zu reden.

Aber als ich zurückkehrte, fand ich ihn lächelnd und wohlgelaunt.

»Es hat nur am Schlaf gefehlt«, sagte er munter. »Jetzt bin ich wieder ganz frisch. Du musst mir etwas spielen, gelt? Das Präludium, wenn du so gut sein willst.«

Erfreut und erstaunt, ihn so rasch verändert zu sehen, tat ich ihm den Willen, und nach dem Spielen plauderte er wie früher, mit Ironie und leichter Skepsis, ließ seine Laune farbig spielen und gewann mein Herz wieder ganz. Die erste Zeit unserer Freundschafft fiel mir ein, und als wir abends das Haus verließen, schaute ich mich unwillkürlich um und fragte: »Du hast keine Hunde mehr?«

»Nein. – Gertrud mochte sie nicht.«

Wir fuhren nun schweigend ins Theater. Ich begrüßte den Kapellmeister und ließ mir einen Platz anweisen. Wieder hörte ich die wohlbekannte Musik, doch war alles anders als das letztemal. Ich saß allein in meiner Loge, Gertrud war fort, und der da unten spielte und sang, war auch ein anderer. Er sang mit Leidenschafft und Gewalt, das Publikum schien ihn in dieser Rolle zu lieben und ging von Anfang an lebhaft mit. Mir aber schien sein Feuer übertrieben und seine Stimme gesteigert, beinahe roh. In der ersten Pause ging ich hinab und suchte ihn auf. Da saß er wieder in seiner Kammer und trank Champagner, und bei den paar Worten, die wir wechselten, waren seine Augen unstet wie die eines Angetrunkenen. Ich suchte nachher, während Muoth sich umkleidete, den Kapellmeister auf.

»Sagen Sie«, bat ich ihn, »ist Muoth krank? Mir scheint, er hat sich mit Champagner aufrecht gehalten. Sie wissen, er ist mein Freund.«

Der Mann sah mich zweifelnd an.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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