Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

»Ob er krank ist, weiß ich nicht. Aber daß er sich kaputt macht, ist ja klar. Er ist manchmal fast betrunken auf die Bühne gekommen, und wenn er einmal nicht trinkt, spielt er schlecht und singt miserabel. Er hat schon früher immer vor dem Auftreten ein Glas Sekt genommen, aber jetzt tut er’s nicht unter einer ganzen Flasche. Wenn Sie ihm raten wollen es wird aber wenig zu machen sein. Der Muoth macht sich mit Gewalt kaputt.«

Muoth holte mich ab, und wir nahmen im nächsten Wirtshaus ein Abendessen. Er war wieder, wie am Mittag, abgespannt und unzugänglich, trank ohne Maß von dem dunklen Rotwein, da er sonst nicht schlafen könne, und sah aus, als wolle er um jeden Preis vergessen, dass es auf der Welt noch andere Dinge als seine Müdigkeit und sein Schlafbedürfnis gäbe.

Unterwegs im Wagen erwachte er für einen Augenblick, lachte mich an und rief: »Junge, wenn ich nimmer da bin, kannst du deine Oper einsalzen, die Rolle kann außer mir niemand singen.«

Andern Tages stand er spät auf und war dann müde und erschlafft, mit unsicheren Augen und grauem Gesicht. Nach dem Frühstück nahm ich ihn vor und redete in ihn ein.

»Du bringst dich um«, sagte ich betrübt und unmutig. »Du machst dich mit Champagner frisch und musst es nachher natürlich büßen. Ich kann mir denken, warum du es tust, und ich würde nichts dagegen sagen, wenn du nicht eine Frau hättest. Der bist du schuldig, dass du dich außen und innen sauber und tapfer hältst.«

»So?« lächelte er schwach und scheinbar durch meinen Eifer belustigt. »Und was ist denn sie mir schuldig? Hält sie sich denn tapfer? Sie sitzt beim Papa und lässt mich allein. Warum soll ich mich zusammennehmen, wenn sie es nicht tut? Die Leute wissen ja schon, dass es nichts mehr zwischen uns ist, und du weißt es auch. Nebenher soll ich auch noch singen und den Leuten den Hanswurst machen[94], das geht nicht aus dem Leeren und aus dem Ekel heraus, den ich an allem habe, an der Kunst am meisten.«

»Du musst trotzdem anders anfangen, Muoth! Wenn du noch glücklich dabei wärst! Aber es geht dir ja miserabel. Wenn dir das Singen zuviel wird, so nimm Urlaub, den kriegst du sofort; du hast ja auch das Geld, um das du singst, gar nicht nötig. Geh in die Berge, oder ans Meer, oder irgendwohin und werde wieder gesund! Und lass doch das dumme Trinken! Es ist nicht bloß dumm, es ist feig, das weißt du wohl.«

Er lächelte nur. »Gut«, sagte er kühl. »So geh doch du einmal und tanz einen Walzer! Es würde dir gut tun, glaub mir! Denk doch nicht immer an dein dummes Bein, das ist nur Einbildung!«

»Lass doch«, rief ich ungehalten. »Du weißt genau, dass das etwas anderes ist. Ich würde sehr gern tanzen, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Du aber könntest recht gut dich zusammennehmen und gescheiter sein. Das Trinken musst du unbedingt lassen!«

»Unbedingt! Lieber Kuhn, ich möchte fast lachen. Ich kann sowenig anders werden und das Trinken lassen, als du tanzen kannst. Ich muss bei dem bleiben, was mich noch notdürftig bei Leben und Laune erhält, verstehst du? Trinker pflegen bekehrt zu werden, wenn sie bei der Heilsarmee[95] oder irgendwo etwas finden, was sie noch besser und dauernder befriedigt. Es hat für mich so etwas gegeben, das sind die Frauen gewesen. Mit anderen Frauen kann ich mich nimmer einlassen, seit die meine mein war und mich verlassen hat, also «

»Sie hat dich nicht verlassen! Sie kommt wieder. Sie ist nur krank.«

»Das meinst du, und das meint sie selber, ich weiß. Aber sie kommt nicht zurück. Wenn ein Schiff versinken soll, pflegen vorher die Ratten es zu verlassen. Sie wissen wahrscheinlich auch nicht, dass das Schiff kaputt geht. Sie fühlen sich nur von einem unangenehmen Schauder berührt und laufen fort, gewiss mit der guten Absicht, bald wiederzukommen.«

»Ach, rede nicht so! Du bist schon oft am Leben verzweifelt, und es ist doch wieder gegangen.«

»Richtig. Es ist gegangen, weil ich einen Trost oder eine Betäubung fand. Einmal war es eine Frau, einmal ein lieber Freund – ja, du hast mir den Dienst auch schon getan! – ein andermal die Musik oder das Klatschen im Theater. Nun, und jetzt freuen eben diese Sachen mich nimmer, und darum trinke ich. Ich könnte nicht singen ohne ein paar Gläser vorher, aber ich kann auch nicht denken und reden und leben und mich erträglich fühlen – ohne ein paar Gläser vorher. Und jetzt kurz – das Predigen musst du lassen, so gut es dir steht. Es war schon einmal so, vor zwölf Jahren ungefähr. Da hat mir auch einer gepredigt und nicht nachgelassen, es war wegen eines Mädels, und zufällig war’s mein bester Freund «

»Und dann?«

»Dann hat er mich genötigt, ihn hinauszuwerfen, und dann hatte ich lange keinen Freund mehr, eigentlich bist du dann kamst.«

»Das ist deutlich.«

»Gelt?« sagte er milde. »Du hast nun die Wahl. Aber ich will dir sagen, es wäre nicht schön, wenn du mir jetzt auch drausliefst. Ich habe dich gern, du, und ich habe mir ausgedacht, dass du auch eine Freude haben sollst.«

»So. Was denn?«

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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