Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Nur in Gertruds Gegenwart sank die Flamme in sich zusammen. Selbst wenn ich töricht und unedel genug gewesen wäre, meinem Verlangen zu folgen und ohne Rücksicht auf ihren Mann, der mein Freund war, um ihr Herz zu werben, ich hätte unter den Blicken dieser leidenden, zarten, eigensinnig in ihren Schmerz verbissenen Frau mich schämen müssen, ihr anders als mit Mitleid und vorsichtiger Schonung entgegenzukommen. Auch wurde sie, je mehr sie litt und vielleicht an Hoffnung verlor, desto stolzer und unnahbarer. Sie trug ihre hohe Gestalt und den feinen, dunkelblonden Kopf so steil und nobel wie noch nie und erlaubte keinem von uns durch die leiseste Gebärde ihr nahezutreten und tragen zu helfen.

Diese langen schweigsamen Wochen sind vielleicht die schwersten in meinem Leben gewesen. Hier Gertrud, mir nahe und doch unerreichbar, und kein Weg zu ihr, die allein bleiben wollte; dort Brigitte, von deren Liebe zu mir ich wusste und mit der nach längerem Vermeiden langsam wieder ein erträglicher Umgang sich anspann; und zwischen uns allen meine Mutter, die uns leiden sah und alles ahnte und sich nichts zu sagen getraute, da ich selber hartnäckig schwieg und es nicht über mich vermochte, ein Wort von meinem Zustande zu sagen. Das schlimmste war aber dieses tödliche Zusehenmüssen, die hilflose Überzeugung, dass meine nächsten Freunde sich zugrunde richteten, ohne dass ich nur merken lassen durfte, ich wisse darum.

Am schwersten schien Gertruds Vater zu leiden. Seit ich ihn vor Jahren als einen klugen, strammen, stillheiteren alten Herrn hatte kennenlernen, war er älter geworden, anders geworden, sprach leiser und unruhiger, machte keine Scherze mehr und sah sorgenvoll und elend aus. Ich ging eines Tages im November zu ihm, mehr um Neues zu hören und selber Hoffnung zu schöpfen, als ihm tröstliche Gesellschafft zu leisten.

Er empfing mich in seiner Schreibstube, gab mir eine von seinen kostbaren Zigarren und begann die Unterhaltung in einem höflich leichten Ton, der ihm Mühe machte und den er bald fallen ließ. Mit betrübtem Lächeln sah er mich an und sagte: »Sie wollen fragen, wie es geht? Schlecht, lieber Herr, schlecht. Das Kind hat wohl mehr getragen, als wir wissen, sonst fände sie sich besser zurecht. Ich bin entschieden für eine Scheidung, aber sie will nichts davon hören. Sie liebt ihn, wenigstens sagt sie es, und hat doch Furcht vor ihm! Das ist nicht gut. Sie ist krank, das Kind, sie macht die Augen zu, will nichts mehr sehen und meint, es müsse schon besser werden, wenn man nur warte und sie in Ruhe lasse. Das ist ja nervös, natürlich, aber sie scheint doch tiefer krank zu sein. Denken Sie, sie fürchtet manchmal sogar, ihr Mann möchte sie misshandeln, wenn sie wieder zu ihm ginge! Und doch meint sie ihn zu lieben.«

Er schien sie nicht zu verstehen und sah den Dingen hilflos zu. Mir war ihr Leiden wohl begreiflich, als ein Kampf zwischen Liebe und Stolz. Sie fürchtete nicht, von ihm geschlagen zu werden; sie fürchtete, ihn nicht mehr achten zu können, und in ihrem ängstlichen Warten hoffte sie wieder Kraft zu finden. Sie hatte ihn beherrscht und im Bann gehalten, sich dabei aber so erschöpft, dass sie ihrer Kraft dazu nicht mehr traute, das war ihre Krankheit. Nun sehnte sie sich nach ihm und fürchtete doch, ihn ganz zu verlieren, wenn ein neuer Versuch des Zusammenlebens nicht gelänge. Ich sah nun deutlich, wie unnütz und verblendet meine frechen Liebesphantasien gewesen waren; Gertrud liebte ihren Mann und würde nie mit einem andern gehen.

Der alte Imthor vermied es, über Muoth zu sprechen, da er mich ihm befreundet wusste. Aber er hasste ihn und konnte nicht begreifen, wie er Gertrud habe betören können, er dachte an ihn wie an einen bösen Zauberer, der Unschuldige einfängt und nimmer hergibt. Nun, die Leidenschafft ist immer ein Rätsel und unerklärbar, und leider ist es gewiss, dass das Leben seine schönsten Kinder nicht schont und dass häufig die herrlichsten Menschen gerade das lieben müssen, was sie zugrunde richtet.

In dieser Trübe traf mich ein kurzer Brief von Muoth wie eine Erlösung. Er schrieb: »Lieber Kuhn! Deine Oper wird ja jetzt überall gespielt, vielleicht besser als hier. Es wäre trotzdem hübsch, wenn Du wieder einmal kämest, zum Beispiel nächste Woche, wo ich Deine Rolle zweimal singe. Du weißt, meine Frau ist krank, und ich bin allein hier. Du würdest also ungeniert bei mir wohnen. Bring aber niemand mit! Herzlich Dein Muoth.«

Er schrieb so selten Briefe und gar nie unnötige, dass ich sofort entschlossen war zu reisen. Er musste mich nötig haben. Einen Augenblick hatte ich den Gedanken, es Gertrud mitzuteilen. Vielleicht war das die rechte Gelegenheit, den Bann zu brechen, vielleicht würde sie mir einen Brief oder ein gutes Wort für ihn mitgeben, vielleicht ihn herbitten, vielleicht sogar selber mitkommen. Es war nur ein Einfall, und ich führte ihn nicht aus. Ich besuchte nur ihren Vater vor der Abreise.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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