Читаем Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7) полностью

Alexandra beobachtete, wie Grigoriew näherkam, sie wartete auf den Augenblick, wo er den Kopf nach vorne über die Lenkstange neigen, sein ausladendes Hinterteil lüpfen und ein Beinchen über den Sattel schwingen würde, als klettere er von einer Frau herunter. Sie sah, daß die kurze Fahrt sein Gesicht gerötet hatte, sie verfolgte, wie er die Mappe aus dem Gepäckträger über dem Hinterrad zog. Sie lief zur Tür und versuchte ihn zu küssen, zuerst auf die Wange und dann auf die Lippen, denn sie hatte sich vorgenommen, ihre Zunge als Willkommensgruß in seinen Mund zu stecken, doch er schusselte mit gesenktem Kopf an ihr vorbei, als sei er schon wieder auf dem Rückweg zu seiner Frau. »Grüß dich, Alexandra Borisowna«, hörte sie ihn aufgeregt flüstern. Er sprach ihren Vaternamen aus, als sei er ein Staatsgeheimnis.

»Grüß dich, Onkel Anton«, antwortete sie, als Schwester Béatitude sie grob am Arm packte und flüsterte, sie solle sich benehmen, denn sonst . . .

Das Arbeitszimmer von Mutter Felicitas war bescheiden und prächtig zugleich. Es war klein und karg und sehr hygienisch, die Nonnen schrubbten und polierten es täglich, so daß es wie in einem Schwimmbad roch. Doch ihre kleinen russischen Dinge glänzten wie Geschmeide. Sie besaß Ikonen und reich gerahmte Sepiafotografien von Prinzessinnen, die sie geliebt, und Bischöfen, denen sie gedient hatte, und an ihrem Namenstag - oder war es ihr Geburtstag oder der des Bischofs? - brachte sie das alles nach unten und machte daraus eine Schaubühne mit Kerzen, einer Jungfrau und dem Christkind. Alexandra wußte das, denn Felicitas hatte sie kommen lassen und neben sich gesetzt, ihr laut alte russische Gebete vorgelesen und Stücke aus der Liturgie im Marschrhythmus vorgesungen, ihr Plätzchen und Punsch gegeben, nur um russische Gesellschaft zu haben an ihrem Namenstag- oder war es Ostern oder Weihnachten gewesen? Die Russen sind die besten Menschen der Welt, hatte sie gesagt. Trotz der vielen Pillen, die sie genommen hatte, wurde Alexandra allmählich klar, daß Felicitas-Felicitas stockbetrunken war. Sie hob ihr die Beine hoch, legte ein Kissen für sie zurecht, küßte sie aufs Haar und ließ sie auf dem Tweedsofa einschlafen, auf dem die Eltern saßen, wenn sie neue Patienten anmeldeten. Es war dasselbe Sofa, auf dem Alexandra nun saß und auf Onkel Anton starrte, der das kleine Notizbuch aus der Tasche zog. Sie bemerkte, daß er seinen braunen Tag hatte: brauner Anzug, braune Krawatte, braunes Hemd.

»Du solltest dir braune Hosenklammern kaufen«, sagte sie zu ihm auf Russisch.

Onkel Anton lachte nicht. Um sein Notizbuch war ein strumpfbandartiges Stück Gummi geschlungen, das er jetzt wie widerwillig löste, während er die offiziellen Lippen befeuchtete. Manchmal hielt Alexandra ihn für einen Polizisten, manchmal für einen verkleideten Priester, manchmal für einen Rechtsanwalt oder Schullehrer und manchmal sogar für eine besondere Art von Arzt. Doch was immer er auch war, er wollte ihr durch das Gummiband und das Notizbuch sowie durch den Ausdruck nervösen Wohlwollens klar zu verstehen geben, daß es da ein Höheres Gesetz gab, für das weder er noch sie persönlich verantwortlich waren, daß er nicht ihr Kerkermeister war, daß er sie, wenn schon nicht um ihre Liebe, so doch um Vergebung für die Umstände bat, die ihn zwangen, sie von der Welt abzuschließen. Und sie sollte auch wissen, daß er traurig war, sogar einsam und ganz sicherlich ihr zugetan und daß er in einer besseren Welt der Onkel gewesen wäre, der ihr getreulich Geburtstagsgeschenke, Weihnachtsgeschenke gebracht, ihr jedes Jahr- >meine Sascha, wie groß du bist< - unters Kinn gegriffen und unauffällig eine ihrer Rundungen betätschelt hätte, um anzudeuten, >meine Sascha, bald bist du reif für den Topf<.

»Wie geht's mit deiner Lektüre vorwärts, Alexandra?« fragte er, während er das vor ihm liegende Notizbuch glattstrich und nach der Liste blätterte. Das war Geplauder. Das war nicht das Höhere Gesetz. Das war wie ein Gespräch über das Wetter, oder was für ein hübsches Kleid sie trug, oder wie glücklich sie heute aussah, ganz und gar nicht so wie letzte Woche.

»Ich heiße Tatjana und komme vom Mond«, antwortete sie. Onkel Anton tat, als habe sie nichts gesagt, sie hatte also vielleicht nur zu sich selbst gesprochen, lautlos in Gedanken, wo sie sich eine Menge Dinge erzählte.

»Bist du mit der Novelle von Turgenjew fertig, die ich dir gebracht hatte?« fragte er. »Du hast inzwischen wohl die >Früh-lingsströme< gelesen, nehme ich an.«

»Mutter Felicitas liest sie mir vor, aber sie ist zur Zeit heiser«, sagte Alexandra.

»So.«

Das war eine Lüge. Sie hatte ihr Essen auf den Boden geworfen, und um sie zu strafen, las Felicitas-Felicitas ihr nicht mehr vor. Onkel Anton hatte in seinem Notizbuch die Seite mit der Liste gefunden, und auch seinen Kugelschreiber hatte er gefunden, einen Silberstift mit Gleitmine, auf den er ungemein stolz zu sein schien.

»So«, sagte er. »Also dann, Alexandra!«

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