Sie schlief in meinem Arm. Ich erwachte oft und sah sie an. Ich dachte, die Nacht könne nie zu Ende gehen. Wir trieben irgendwo, jenseits der Zeit. Es war alles so schnell gekommen, ich begriff es noch gar nicht. Ich begriff noch gar nicht, dass mich ein Mensch lieben konnte. Ich verstand wohl, dass ich für einen Mann ein ganz guter Kamerad sein konnte; aber ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb eine Frau mich lieben sollte. Ich dachte, dass es wohl nur diese Nacht sein würde und glaubte, beim Erwachen würde es vorbei sein.
Die Dunkelheit wurde grau. Ich lag ganz still. Mein Arm unter Pats Kopf war eingeschlafen[87]
, ich konnte nichts mehr fühlen. Aber ich rührte mich nicht. Erst als sie sich im Schlaf umdrehte und sich gegen das Kissen drückte, konnte ich ihn wegnehmen. Ich stand ganz leise auf und putzte mir geräuschlos die Zähne und rasierte mich. Ich nahm auch etwas Kölnisch Wasser und rieb es mir auf das Haar und in den Nacken. Es war sonderbar, so lautlos in dem grauen Zimmer, mit den Gedanken und draußen den dunklen Umrissen der Bäume. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Pat die Augen offen hatte und mich betrachtete. Ich hielt inne. „Komm”, sagte sie.Ich ging zu ihr und setzte mich auf das Bett. „Ist alles noch wahr?” sagte ich.
„Weshalb fragst du?”
„Ich weiß nicht. Weil es Morgen ist, vielleicht.”
Es wurde heller. „Du musst mir jetzt meine Sachen geben”, sagte sie.
Ich nahm die dünne Seidenwäsche vom Boden auf. Sie war leicht und so wenig. Ich hielt sie in der Hand. Schon das war ganz anders, dachte ich. Wer so etwas trug, musste schon ganz anders sein. Nie würde ich ihn begreifen, nie.
Ich gab ihr die Sachen. Sie legte mir den Arm um den Nacken und küsste mich.
Dann brachte ich sie nach Hause. Wir sprachen nicht mehr viel. Wir gingen nebeneinander her in der silbrigen Frühe.
„Heute?” fragte ich Pat vor der Haustür.
Sie lächelte. „Um sieben?” fragte ich.
Sie sah gar nicht müde aus. Sie war frisch, als hätte sie lange geschlafen. Sie küsste mich zum Abschied. Ich blieb vor dem Hause stehen, bis ich sah, dass in ihrem Zimmer das Licht anging.
Dann ging ich zurück. Unterwegs fiel mir vieles ein, was ich ihr hätte sagen sollen, viele schöne Worte. Dann ging ich zu den Markthallen. Ich wusste, dass man hier für den gleichen Preis dreimal soviel Blumen bekam, wie in den Läden. Ich kaufte für alles Geld, das ich noch bei mir hatte, Tulpen. Sie sahen herrlich aus, ganz frisch, mit Wassertropfen in den Kelchen. Ich bekam einen großen Arm voll. Die Verkäuferin versprach mir, sie um elf Uhr zu Pat zu schicken. Sie lachte mich an, als sie es versprach, und legte noch einen dicken Busch Veilchen dazu. „Mindestens vierzehn Tage wird die Dame ihre Freude daran haben”, sagte sie. „Nur ab und zu ein Pyramidon ins Wasser tun.”
Ich nickte und gab ihr das Geld. Dann ging ich langsam nach Hause.
X
Der Ford stand fertig in der Werkstatt. Neue Arbeit war nicht hereingekommen. Wir mussten etwas unternehmen. Köster und ich gingen auf eine Auktion. Wir wollten ein Taxi kaufen, das dort versteigert wurde. Taxis waren immer ziemlich gut weiterzuverkaufen.
Wir gingen zu dem Wagen, der in der Ecke des Hofes stand. Die Lackierung war abgewetzt und verbraucht, aber der Wagen war sauber, auch unter den Kotflügeln. Ein untersetzter Mann mit herabhängenden, breiten Händen stand in der Nähe und schaute uns stumpf an.
„Hast du die Maschine untersucht?” fragte ich Köster.
„Gestern”, sagte er. „Ziemlich ausgeleiert, aber tadellos gepflegt.”
Ich nickte. „Sieht auch so aus. Der Wagen ist heute morgen noch gewaschen worden, Otto. Das hat der Auktionsfritze[88]
sicher nicht getan.”Köster schüttelte den Kopf und sah zu dem untersetzten Mann hinüber. „Es wird der Besitzer sein. Er stand gestern auch hier und putzte den Wagen.”
„Verdammt”, sagte ich, „der Mann sieht aus wie ein überfahrener Hund.”
Ein junger Mann kam quer über den Hof auf den Wagen zu. Er trug einen Mantel mit einem Gürtel und war unangenehm forsch. „Das ist ja wohl der Schlitten”, sagte er halb zu uns, halb zu dem Mann, und klopfte mit seinem Spazierstock auf die Kühlerhaube. Ich sah, wie es in den Augen des Mannes zuckte. „Macht nichts, macht nichts”, wehrte der Gürtelmann[89]
großzügig ab, „der Lack ist sowieso keine fünf Groschen mehr wert. Ehrwürdige Klamotte. Müsste eigentlich ins Museum, was?” Er lachte mächtig über seinen Witz und sah uns beifallsfreudig an. Wir lachten nicht mit. Er wandte sich an den Besitzer. „Was wollen Sie denn für den Großvater haben?”Der Mann schluckte und schwieg.
„Wir sollten ihn nicht kaufen, Otto”, sagte ich.
„Dann kauft ihn dein Gürteltier[90]
Guido”, erwiderte Köster. „Wir können dem Mann nicht helfen.”„Stimmt”, sagte ich. „Aber trotzdem – es hängt was dran.”
Der Auktionator kam.
Auf das Taxi boten drei Leute, – als erster Guido – dreihundert Mark. Ein Schandgebot. Der untersetzte Mann war herangekommen. Er bewegte lautlos die Lippen. Er sah aus, als wolle er mitbieten. Aber die Hand sank herab. Er trat zurück.