„Aber sonst trinkst du Tee?”
„Ja.”
„Da haben wir es.”
„Ich fange schon an, mich an Kaffee zu gewöhnen. Willst du Kuchen dazu? Oder Brötchen?”
„Beides, Pat. Man muss solche Gelegenheiten ausnützen. Ich werde nachher auch noch Tee trinken. Ich muss alles versuchen, was es hier bei dir gibt.”
Sie lachte und packte meinen Teller voll. Ich wehrte ab. „Genug, genug! Bedenke, dass wir in der Nähe eines Oberstleutnants sind! Das Militär liebt Mäßigkeit bei den niederen Chargen.”[92]
„Nur im Trinken, Robby. Der alte Egbert isst selbst leidenschaftlich gern Kuchen mit Schlagsahne.”
Ich hatte mittags nur eine Tasse Bouillon in der Chauffeurkneipe getrunken. Es war deshalb nicht besonders schwer alles aufzuessen, was da war. Dazu trank ich, ermuntert von Pat, auch die ganze Kanne Kaffee leer.
Wir saßen am Fenster und rauchten. Der Abend stand rot über den Dächern. „Es ist schön bei dir, Pat”, sagte ich. „Ich könnte verstehen, dass man wochenlang keinen Schritt hinaustäte, – bis man den ganzen Kram da draußen vergessen hätte.” Sie lächelte. „Es gab eine Zeit, da konnte ich gar nicht erwarten, hier herauszukommen.”
„Wann denn?”
„Als ich krank war.”
„Das ist was anderes. Was hast du denn gehabt?”
„Nichts sehr Schlimmes. Ich musste nur liegen. Ich war wohl zu schnell gewachsen und hatte zu wenig zu essen bekommen. Im Krieg und nach dem Kriege gabs ja nicht viel.” Ich nickte. „Wie lange hast du denn gelegen?” Sie zögerte einen Augenblick. „Ungefähr ein Jahr.”
„Das ist aber sehr lange.” Ich sah sie aufmerksam an.
„Es ist jetzt längst vorbei. Aber damals erschien es mir wie ein ganzes Leben. Du hast mir in der Bar einmal von deinem Freunde Valentin erzählt. Dass er nie vergessen konnte nach dem Kriege, welch ein Glück es sei, zu leben. Und dass ihm alles andere gleichgültig wurde darüber.”
„Das hast du gut behalten”, sagte ich.
„Weil ich es gut verstehe. Ich kann mich seit damals auch so leicht freuen. Ich glaube, ich bin sehr oberflächlich.”
„Oberflächlich sind nur Leute, die glauben, dass sie es nicht sind.”
„Ich bin es aber bestimmt. Ich habe nicht viel Verständnis für die großen Dinge des Lebens. Nur für die schönen. Dieser Flieder hier macht mich schon glücklich.”
„Das ist keine Oberflächlichkeit; – das ist letzte Philosophie.”
„Bei mir nicht. Ich bin oberflächlich und leichtsinnig.”
„Ich auch.”
„Findest du auch, dass ich leichtsinnig war?”
„Nein, mutig.”
„Ach, Mut – ich bin nicht sehr mutig. Ich habe manchmal Angst genug dabei gehabt. So wie jemand, der im Theater auf dem falschen Platz sitzt und sich doch nicht wegrührt.”
Sie sah mich einen Augenblick an. „Gut, Robby”, sagte sie. Dann stand sie auf und ging zu einem Schränkchen. „Weißt du, was ich hier habe? Rum für dich. Guten Rum, glaube ich.”
Der Rum war, das sah ich schon an der Farbe, Verschnitt[93]
. Der Händler hatte Pat bestimmt betrogen. Ich trank das Glas aus. „Höchste Klasse”, sagte ich, „gib mir noch einen. Wo hast du ihn her?”„Aus dem Geschäft an der Ecke.”
Aha, dachte ich, natürlich so ein verdammter Delikatessenladen. Ich nahm mir vor, gelegentlich mal reinzusehen und dem Mann Bescheid zu sagen[94]
.„Jetzt muss ich wohl gehen, Pat, was?” fragte ich. Sie sah mich an. „Noch nicht – ”
Wir standen am Fenster. Unten flammten die Lichter auf. „Zeig mir einmal dein Schlafzimmer”, sagte ich.
Sie machte die Tür auf und knipste das Licht an. Ich blieb an der Tür stehen und sah hinein. Mir ging allerlei durch den Kopf. „Das ist also dein Bett, Pat” sagte ich schließlich.
Sie lächelte. „Wem soll es denn sonst gehören, Robby?”
„Wahrhaftig!” Ich blickte auf. „Und da ist ja auch das Telefon. Nun weiß ich das auch. Jetzt werde ich gehen. Leb wohl, Pat.”
Sie legte ihre Hände um meine Schläfen. Es wäre wunderbar gewesen, jetzt dazubleiben, im hereinbrechenden Abend, dicht beieinander, unter der weichen, blauen Decke im Schlafzimmer; – aber es war etwas da, was mich abhielt. – Es war keine Hemmung, auch keine Angst und keine Vorsicht, – es war einfach nur eine sehr große Zärtlichkeit, eine Zärtlichkeit, die das Begehren überschwemmte.
„Leb wohl, Pat”, sagte ich. „Es war schön bei dir. Viel schöner für mich, als du dir vielleicht denken kannst. Und das mit dem Rum – dass du daran gedacht hast – ”
„Aber das war doch so einfach – ”
„Für mich nicht. Bin es nicht so gewöhnt.”
Die Zalewskische Bude. Ich saß eine Weile herum.
Bis acht Uhr hielt ich es in meiner Bude noch aus, – dann hatte ich genug davon, allein herumzusitzen und ging in die Bar, um irgend jemand zu treffen.
Valentin war da. „Setz dich”, sagte er. „Was willst du trinken?”
„Rum”, erwiderte ich. „Habe zu Rum seit heute ein besonderes Verhältnis.”
„Rum ist die Milch des Soldaten”, sagte Valentin. „Siehst übrigens gut aus, Robby.”
„So?”
„Ja, jünger.”
„Auch was”, sagte ich. „Prost, Valentin.”
„Prost, Robby.”
Wir sagten es noch einige Male. Dann brach Valentin auf.