Das nächste Gebot war vierhundert Mark. Guido ging auf vierhundertfünfzig. Es entstand eine Pause. Der Auktionator bot herum – „keiner mehr – zum ersten – zum zweiten – ”
„Tausend”, sagte Köster. Ich sah ihn an. „Ist ja drei wert”, murmelte er. „Kann nicht sehen, wie der da abgeschlachtet wird.”
Guido machte uns verzweifelte Zeichen. „Elfhundert”, meckerte er und klapperte uns mit beiden Augenlidern zu.
„Fünfzehnhundert”, sagte Köster.
Der Auktionator geriet in Schwung.
„Fünfzehnhundertzehn” erklärte Guido schwitzend.
„Achtzehnhundert”, sagte Köster.
Der Auktionator schlug uns den Wagen zu. Köster bezahlte sofort.
Nachmittags kam der Bäckermeister, um seinen Ford abzuholen. Er sah grau und verbittert aus. Ich war allein auf dem Hof. „Gefällt Ihnen die Farbe?” fragte ich.
„Ja, schon”, sagte er und sah den Wagen unschlüssig an.
„Das Verdeck ist sehr schön geworden.”
„Gewiss – ”
Er stand herum und schien sich nicht entschließen zu können abzufahren. Ich erwartete, dass er noch irgendwas umsonst einzuhandeln versuchen würde, einen Wagenheber, einen Aschenbecher oder etwas Ähnliches.
Aber es kam anders. Er schnaufte eine Weile herum, sah mich dann aus seinen rotgeäderten Augen an und sagte: „Wenn man so denkt, – da hat sie nun vor ein paar Wochen noch gesund und munter drin gesessen – ”
Ich war etwas erstaunt, ihn so plötzlich weich zu sehen, und vermutete, dass ihm das flinke, schwarze Luder, das er zuletzt bei sich gehabt hatte, bereits auf die Nerven ging. Ärger macht ja die Leute leichter sentimental als Liebe.
Der Bäcker begann sich auszusprechen. Er erzählte mir, wie sparsam die Frau gewesen sei. Es war merkwürdig, wie gerührt die Erinnerung an gespartes Geld diesen versoffenen Kegelbruder machte. Nicht einmal richtig photographieren hätte sie sich lassen, es sei ihr zu teuer gewesen. So hätte er nur ein Bild von der Hochzeit und ein paar kleine Momentaufnahmen von ihr.
Das brachte mich auf einen Gedanken. „Sie sollten sich ein schönes Bild von Ihrer Frau malen lassen”, sagte ich. „Dann haben Sie für immer was. Photographien verbleichen mit der Zeit. Es gibt hier einen Künstler, der das macht.”
Ich erklärte ihm Ferdinand Graus Tätigkeit. Er wurde sofort misstrauisch und meinte, das sei wohl sehr teuer. Ich beruhigte ihn, – wenn ich mitginge, bekäme er einen Sonderpreis. Ich rief Ferdinand Grau an und sagte ihm Bescheid. Dann fuhr ich mit dem Bäckermeister los, um die Photographien der Frau abzuholen.
Der Bäcker holte aus einem grünen Plüschalbum ein paar Bilder hervor und zeigte sie mir.
„Das geht”, sagte ich. „Danach kann er alles machen.”
Ferdinand Grau empfing uns in einem Gehrock. Er sah würdig und feierlich aus. Das gehörte zu seinem Geschäft.
An den Wänden des Ateliers hingen einige stattliche Ölporträts in goldenen Rahmen; darunter die kleinen dazugehörigen Photographien. Jeder Kunde konnte dadurch sofort sehen, was selbst aus einer verwischten Momentaufnahme zu machen war.
Ferdinand führte den Bäckermeister herum und fragte ihn, welche Art ihm am besten gefiele. Der Bäcker fragte zurück, ob die Preise sich nach der Größe richteten. Ferdinand erklärte, es ginge nicht nach dem Quadratmeter, sondern nach der Ausführung.
Sie redeten noch eine Zeitlang hin und her, dann wurden sie einig und besprachen die Ausführung. Der Bäcker wollte eine Perlenkette und eine goldene Brosche mit Diamanten extra dazu gemalt haben. Sie waren auf den Photos nicht zu sehen.
„Selbstverständlich”, erklärte Ferdinand, „der Schmuck ihrer Gattin wird mitgemalt. Am besten ist, Sie bringen ihn mir einmal für eine Stunde her, damit er möglichst naturgetreu wird.”
Der Bäcker wurde rot. „Ich habe ihn nicht mehr da. Er ist – ich habe ihn bei Verwandten.”
„Ach so. Na, dann geht es auch so. Sah die Brosche ähnlich aus wie die auf dem Bilde drüben?”
Der Bäcker nickte. „Nicht ganz so groß.”
„Schön. Dann werden wir sie so machen. Die Kette brauchen wir ohnehin nicht. Perlen sehen ja alle ähnlich aus.”
Der Bäcker atmete auf. „Und wann ist das Bild fertig?”
„In sechs Wochen.”
„Gut.” Der Bäcker verabschiedete sich.
Ich ging. Unten kam der Schwall und Lärm der Straße mir entgegen wie ein warmes Bad.
XI
Ich war unterwegs zu Pat. Es war das erstemal, dass ich sie besuchte. Bisher war sie immer nur bei mir gewesen oder ich hatte sie vor ihrem Hause abgeholt und wir waren irgendwo hingegangen. Aber das war stets so gewesen, als ob sie nur zu Besuch da war. Ich wollte mehr von ihr wissen. Ich wollte wissen, wie sie lebte.
Mir fiel ein, dass ich ihr Blumen mitbringen könnte. Das war leicht; die städtischen Anlagen hinter dem Rummelplatz standen in voller Blüte. Ich sprang über das Gitter und begann einen weißen Fliederbusch zu plündern.
„Was machen Sie da?” erscholl plötzlich eine markige Stimme. Ich sah auf. Ein Mann mit einem Burgundergesicht und aufgezwirbeltem weißem Schnurrbart starrte mich entrüstet an. Kein Polizist und kein Parkwächter. Höheres, pensioniertes Militär, das erkannte man sofort.