„Versuchen Sie es mal.” Pat setzte sich auf den Stuhl. Ihr Gesicht schimmerte zwischen den Blüten. „Ich bin verrückt mit Flieder”, sagte der letzte Romantiker. „Heimweh bedeutet für mich Flieder. Im Frühjahr 1924 bin ich einmal Hals über Kopf aus Rio de Janeiro abgereist, nur weil mir einfiel, dass hier der Flieder blühen müsse. Als ich dann ankam, war es natürlich schon viel zu spät.” Er lachte. „So geht es immer.”
„Rio de Janeiro.” Pat zog einen Zweig mit Blüten zu sich herunter. „Waren Sie zusammen da?”
Gottfried stutzte. Mir lief es plötzlich kalt über den Rücken.
„Seht mal den Mond!” sagte ich rasch. Gleichzeitig trat ich Lenz beschwörend auf den Fuß.
Im Aufflammen seiner Zigarette sah ich ein schwaches Lächeln und ein Augenblinzeln. Ich war gerettet.
Um elf Uhr fuhren wir zurück. Valentin und Ferdinand hatten das Taxi, das Valentin steuerte. Wir andern fuhren mit Karl. Die Nacht war warm und Köster machte noch einen Umweg durch ein paar Dörfer, die verschlafen an der Straße lagen mit wenigen Lichtern und vereinzeltem Hundegebell. Lenz saß vorne neben Otto und sang, Pat und ich hockten hinten im Wagen.
Köster fuhr wunderbar.
Das Tempo nahm zu. Ich deckte unsere Mäntel über Pat. Sie lächelte mir zu. „Liebst du mich eigentlich?” fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. „Du mich?”
„Nein. Ein Glück, was?”
„Ein großes Glück.”
„Dann kann uns ja nichts passieren, wie?”
„Gar nichts – ” erwiderte sie und fasste unter den Mänteln nach meiner Hand.
Köster hielt in der Nähe des Friedhofes. Wir stiegen aus. Die beiden sausten sofort weiter, ohne sich umzusehen. Ich blickte ihnen nach. Einen Augenblick war das sonderbar. Sie fuhren ab, meine Kameraden fuhren ab und ich blieb zurück. Ich blieb zurück.
Ich schüttelte es ab. „Komm”, sagte ich zu Pat, die mich ansah, als hätte sie etwas gespürt.
„Fahr mit”, sagte sie.
„Nein”, erwiderte ich.
„Du möchtest doch mitfahren – ”
„Ach wo – ” sagte ich und wusste, dass es stimmte. „Komm – ”
Wir gingen am Friedhof entlang, noch etwas schwankend vom Wind und vom Fahren. „Robby”, sagte Pat, „ich möchte lieber nach Hause.”
„Warum?”
„Ich will nicht, dass du meinetwegen etwas aufgibst.”
„Was fällt dir ein”, sagte ich, „was gebe ich denn auf?”
„Deine Kameraden – ”
„Die gebe ich doch gar nicht auf, – die treffe ich ja morgen früh schon wieder.”
„Du weißt schon, was ich meine”, sagte sie. „Du warst früher viel mehr mit ihnen zusammen.”
„Weil du nicht da warst”, erwiderte ich und schloss die Tür auf.
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist etwas ganz anderes.”
„Natürlich ist es anders. Gott sei Dank.”
Ich nahm sie hoch und trug sie den Korridor entlang in mein Zimmer. „Du brauchst Kameraden”, sagte sie dicht an meinem Gesicht.
„Dich brauche ich auch”, erwiderte ich.
„Aber nicht so nötig – ”
„Das werden wir ja noch sehen – ”
Ich stieß die Tür auf und ließ sie zu Boden gleiten. Sie hielt mich fest. „Ich bin nur ein sehr schlechter Kamerad, Robby.”
„Das will ich hoffen”, sagte ich. „Ich will auch keine Frau als Kameraden. Ich will eine Geliebte.”
„Bin ich auch nicht”, murmelte sie.
„Was bist du denn?”
„Nichts Halbes und nichts Ganzes. Ein Fragment – ”
„Das ist das Beste”, sagte ich. „Das regt die Phantasie an. Solche Frauen liebt man ewig. Fertige Frauen kriegt man leicht über. Wertvolle auch. Fragmente nie.”
Es war vier Uhr nachts. Ich hatte Pat nach Hause gebracht und ging zurück.
Ich ging noch lange durch die Straßen. Es war eine sonderbare Nacht. Ich war sehr wach und konnte nicht schlafen. Mein Gott, dachte ich, ich glaube, ich bin glücklich.
XIII
„Die Dame, die Sie immer verstecken”, sagte Frau Zalewski, „brauchen Sie nicht zu verstecken. Sie kann ruhig offen zu Ihnen kommen. Sie gefällt mir – ”
„Sie haben sie ja noch gar nicht gesehen”, erwiderte ich.
„Beruhigen Sie sich nur, ich habe sie gesehen”, erklärte Frau Zalewski mit Nachdruck. „Ich habe sie gesehen und sie gefällt mir – sehr gut sogar, – aber das ist keine Frau für Sie!”
„So?”
„Nein. Ich habe mich schon gewundert, wie Sie die in Ihren Kneipen aufgestöbert haben. Aber natürlich, die verbummeltsten – ”
„Wir kommen vom Thema”, unterbrach ich sie.
„Das”, sagte sie und stemmte die Arme auf die Hüften, „ist eine Frau für einen Mann in guten, sichern Verhältnissen. Für einen reichen Mann, mit einem Wort!”
Rums, dachte ich, da hast du ein Ding weg! Genau das, was dir gefehlt hat. „Das können Sie von jeder Frau behaupten”, erklärte ich gereizt.
Sie schüttelte die grauen Löckchen. „Warten Sie ab! Die Zukunft wird mir recht geben.”
Ich holte Pat ab. Sie stand in ihrem Zimmer, fertig angezogen, und wartete schon. Es verschlug mir fast den Atem, als ich sie erblickte. Sie trug zum ersten Male, seit ich sie kannte, ein Abendkleid.