„Wenn du gern möchtest”, sagte ich.
Herr Breuer erklärte, man könne vielleicht etwas tanzen. Er war sehr höflich und gefiel mir eigentlich ganz gut. Er hatte nur diese unangenehme Eleganz und Leichtigkeit, von der ich glaubte, dass sie auf Pat wirken müsse, und die ich selbst nicht besaß. Plötzlich, – ich traute meinen Ohren nicht – hörte ich, dass er Pat mit Du ansprach.
Es klingelte. „Also abgemacht, wir treffen uns am Ausgang”, sagte Breuer und ging endlich.
„Was ist das für ein Strolch?” fragte ich.
„Das ist kein Strolch, das ist ein netter Mensch. Ein alter Bekannter.”
„Gegen alte Bekannte habe ich was”, sagte ich.
„Liebling”, erwiderte Pat, „hör lieber zu.”
„Kaskade”, dachte ich und überschlug mein Geld, „verfluchte Neppbude[108]
!”Ich ging in einer finsteren Neugier mit. Dieser Breuer hatte mir zu Frau Zalewskis Unkenrufen[109]
noch gefehlt. Er wartete schon auf uns am Eingang.Ich rief ein Taxi an. „Lassen Sie doch”, sagte Breuer, „mein Wagen hat Platz genug.”
„Gut”, sagte ich.
Pat kannte Breuers Wagen. Es war ein großer Packard[110]
. Er stand schräg gegenüber auf dem Park-platz. Sie ging geradewegs darauf zu. „Er ist ja anders lackiert”, sagte sie und blieb vor ihm stehen.„Ja, grau”, erwiderte Breuer. „Gefällt er dir so besser?”
„Viel besser.”
Wir fuhren zur Kaskade. Das war ein sehr elegantes Tanzlokal mit einer ausgezeichneten Kapelle. „Scheint ganz besetzt zu sein”, sagte ich erfreut, als wir am Eingang standen.
„Schade”, sagte Pat.
„Ach, das machen wir schon”, erklärte Breuer und verhandelte mit dem Geschäftsführer. Er schien hier gut bekannt zu sein, denn tatsächlich bekamen wir einen Tisch herangebracht, ein paar Stühle dazu und ein paar Minuten später saßen wir an der besten Stelle des ganzen Raumes, von der man die Tanzfläche voll übersehen konnte.
„Ach, ich habe schon lange nicht getanzt.”
Breuer stand auf. „Wollen wir?”
Sie sah mich strahlend an. „Ich werde inzwischen was bestellen”, sagte ich.
„Gut.”
Der Tango dauerte lange. Pat sah beim Tanzen ab und zu herüber und lächelte mir zu. Ich nickte zurück, fühlte mich aber nicht besonders. Sie sah wunderbar aus und tanzte großartig. Ich bestellte mir einen großen Rum. Die beiden kamen zurück. Breuer begrüßte ein paar Leute und ich war einen Augenblick mit Pat allein.
„Wie lange kennst du den Knaben schon?” fragte ich.
„Schon lange. Warum?”
„Ach, nur so. Warst du oft mit ihm hier?”
Sie sah mich an. „Ich weiß es nicht mehr, Robby.”
„Das weiß man doch”, sagte ich hartnäckig, obschon ich wusste, was sie damit meinte.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte. Ich liebte sie sehr in diesem Augenblick. Sie wollte mir zeigen, dass alles vergessen sei, was gewesen war. Aber in mir bohrte etwas, das ich selbst lächerlich fand und das ich trotzdem nicht los wurde. Ich stellte mein Glas auf den Tisch. „Kannst es ruhig sagen. Ist ja nichts dabei.”
Sie sah mich wieder an. „Glaubst du, dass wir sonst hier wären?” fragte sie.
„Nein”, sagte ich beschämt.
Die Kapelle begann wieder zu spielen. Breuer kam heran. „Ein Blues[111]
”, sagte er zu mir. „Wunderbar.Wollen Sie ihn nicht tanzen?”
„Nein!” erwiderte ich.
„Schade.”
„Du solltest es einmal versuchen, Robby”, sagte Pat.
„Lieber nicht.”
„Aber warum denn nicht?” fragte Breuer.
„Ich mache mir nichts draus”, erwiderte ich unfreundlich. „Habe es auch nie gelernt. Keine Zeit dafür gehabt. Aber tanzen Sie doch ruhig, ich unterhalte mich hier schon.”
Pat zögerte. „Aber, Pat – ” sagte ich, „es macht dir doch soviel Spaß.”
„Das schon – aber unterhältst du dich auch wirklich?”
„Und wie!” Ich zeigte auf mein Glas. „Das ist auch eine Art von Tanzen.”
Sie gingen.
Breuer brachte ein paar Leute mit an den Tisch. Zwei hübsche Frauen und einen jüngeren Mann, der einen ganz kahlen, kleinen Kopf hatte. Nachher kam noch ein vierter dazu. Alle leicht wie Kork, geschmeidig und sicher. Pat kannte sie alle vier.
Ich fühlte mich schwer wie ein Klotz. Bisher war ich mit Pat immer allein gewesen. Zum ersten Male sah ich jetzt Leute, die sie von früher her kannte. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Sie bewegten sich leicht und ungezwungen, sie kamen aus einem Leben, in dem alles glatt ging, in dem man nichts sah, was man nicht sehen wollte, sie kamen aus einer anderen Welt. Wäre ich allein dagewesen, oder mit Lenz oder Köster, ich hätte mich gar nicht darum gekümmert und es wäre mir egal gewesen. Aber Pat war dabei, Pat kannte sie und dadurch wurde alles schief, es legte mich lahm und zwang mich zu vergleichen.
Breuer schlug vor, in ein anderes Lokal zu gehen. „Robby”, sagte Pat im Hinausgehen, „wollen wir nicht lieber nach Hause gehen?”
„Nein”, sagte ich, „wozu?”
„Es ist doch langweilig für dich.”
„Nicht die Spur. Warum sollte es langweilig sein? Im Gegenteil! Und dir macht es doch Spaß.”
Sie sah mich an, sagte aber nichts.