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Der 1959 bei S. Fischer Verlag erschienene dritte Gedichtband Paul Celans Sprachgitter ist seinem Umfang nach der schmälste in seinem dichterischen Gesamtwerk. Doch sollte sein spezifisches Gewicht im Kontext der schöpferischen Entwicklung des Lyrikers wohl der schwerste sein. Die Verdichtung der poetischen Sprache zeigt sich bereits im Titel des Bandes. Im Vergleich zu beiden vorherigen Büchern — Mohn und Gedächtnis und Von Schwelle zu Schwelle, — deren Titeln noch aus einigen Wortkomponenten bestanden, drückt der neue Titel sein poetologisches Programm in einem einzigen Wortkompositum aus, das eine Grenzdichte der semantischen und bildlichen Ebenen in sich birgt. Dieses Wort ist im Deutschen kaum verbreitet und klingt etwas ungewöhnlich und verfremdend. Doch ist es keine willkürliche Neuschöpfung Celans. Im Grimmschen Wörterbuch der deutschen Sprache findet es sich mit der Erklärung seiner Bedeutung wie folgt: „in nonnen-klöstern das gitter (gegitterte fenster) im sprachzimmer, wodurch die nonne mit weltlichen sprechen darf” (Bd. 16, Sp. 2758). In diesem Sinne bedeutet es dann „eine Begrenzung, Behinderung, Einschränkung — aber auch Ermöglichung des Sprechens, ein Gitter zwischen Sprechenden”[5]. Metaphorisch wird es von Jean Paul in seinen Romanen mehrmals gebraucht. So lesen wir im Hesperus über die augenkranke Fürstin Agnola, dass „ihres Auges Tapetentür und Sprachgitter schwarz verhangen war”[6]. Oder etwas weiter, in der Episode, wo Emmanuel seinen Tod erwartet und den Blick in das Transzendentale richtet: „Die Stille ist die Sprache der Geisterwelt, der Sternenhimmel ihr Sprachgitter — aber hinter dem Sternengitter erschien jetzt kein Geist, und Gott nicht.”[7] Den gleichnamigen Titel haben auch ein Gedichtzyklus sowie eines der zentralen Gedichte des Bandes, das programmatisch ist und mit dem Titel des Bandes aufs engste korrespondiert, ihn noch vielmehr verstärkt.

Der Band umfasst lediglich 33 Gedichte, die zwischen dem 6.3.1955 und dem 3.11.1958 entstanden sind. Für Celan war diese Zeit von mehreren wichtigen Ereignissen gezeichnet, zum Teil recht untröstlichen, wie materielle Unsicherheit (derentwegen er vom Januar bis Mai 1956 die Arbeit des Übersetzers am Bureau International du Travail in Genf übernehmen musste) oder die ersten Vorzeichen der Goll-Affäre und das Ausbleiben der erhofften Solidarität seitens deutscher Autoren und Kritiker, die Zunahme antisemitischer Stimmungen in Deutschland und das Erstarken der Rechten in Frankreich. In dieser Zeit überschritt er jene symbolische Schwelle, die von Dante oder Hölderlin als „Mitte des Lebens” bezeichnet wird und psychologisch nach einer Rückschau verlangte. Dies alles führte ihn mittlerweile zur Resignation, die auch seine Schaffenskraft lähmte und Schreibhemmungen verursachte. In einem Brief an seinen Freund Hermann Lenz, der in diese Lebensphase fällt, lesen wir: „Aber glaub mir, ich hätte längst geschrieben, wenn — ich noch schreiben könnte. Denn ich habe ein so wortloses Jahr hinter mir — hinter mir? — , dass ich daran zweifeln muss, ob dieser Zustand je ein Ende findet”[8].

Es gab dafür aber auch andere, immanentpoetische Gründe, die vielleicht von einer noch wichtigeren Relevanz waren, — in dieser Zeit vollzieht sich bei ihm eine Umwertung seiner bisherigen dichterischen Prinzipien, allmählich formt sich ein neues Verständnis der Poesie, ihrer Bestimmung und Aufgaben. Am deutlichsten äußert er seine neuen poetologischen Ansichten in der Antwort auf eine Umfrage der Librairie Flinker, Paris vom 1958, in der es heißt:


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